Wenigstens eine Chance

Die Auszubildenden von Erhard Sport suchen neue Arbeitgeber

BURGBERNHEIM – Das Ende eines Unternehmens ist immer ein schwerer Schlag. Am gravierendsten sind die Konsequenzen für die Mitarbeiter. Im Fall des Sportartikelherstellers Erhard Sport geht es dabei um 122 Existenzen, die nun durch Anstellung in anderen Firmen gesichert werden müssen. Neben langjährigen Mitarbeitern befinden sich darunter acht junge Auszubildende, die gerade erst in ihr Berufsleben starteten. Sie hoffen auf eine Chance, sich und ihre Fähigkeiten andernorts einbringen zu können.

Jung, motiviert und auf Arbeitssuche: Die acht Erhard-Auszubildenden mit ihren Betreuern.  Foto: Scheuenstuhl

Jung, motiviert und auf Arbeitssuche: Die acht Erhard-Auszubildenden mit ihren Betreuern. Foto: Scheuenstuhl

Es hätte so schön sein können: Der Ausbildungsvertrag ist unterschrieben. Mit dem Lehrlingsgehalt werden schon Pläne für Auto, Wohnung oder Urlaub geschmiedet. Der Anfang für eine gesicherte Existenz scheint gemacht zu sein. Worüber sich jeder Auszubildende freut, hat für die acht Lehrlinge von Sport Erhard einen faden Beigeschmack. Ihr Einstand ins Berufsleben stand von Anfang an unter keinem guten Stern.

Eigentlich schon bei ihrer Einstellung befand sich das Unternehmen – vorsichtig ausgedrückt – in wirtschaftlich schwierigem Fahrwasser. Einen normalen Geschäftsbetrieb haben sie deshalb nur phasenweise erlebt. Mit der Freistellung wurden sie unverschuldet um einige Monate zurückgeworfen. Jetzt heißt es nach kurzer Zeit schon wieder: Offene Ausbildungsplätze suchen, Bewerbungen schreiben und hoffen.

Bei der Stellensuche unterstützt werden die zwei gewerblichen und sechs kaufmännischen Auszubildenden von ihren Kollegen Nicole Kiertscher-Bäuerlein und Rainer Lederer. „Mir liegt es ganz arg am Herzen, dass alle Azubis dieses Jahr noch einen neuen Ausbildungsplatz bekommen“, erklärt die Ausbilderin der Industriekaufleute. Und der Marketing-Verantwortliche ergänzt: „Sobald wir von den Freistellungen wussten, haben wir mit dem Ausbildungsberater bei der Industrie- und Handelskammer Kontakt aufgenommen.“

Von dort bekamen sie eine Liste mit Betrieben, die offene Ausbildungsplätze haben sollten. Zudem versprach der Ausbildungsberater bei seinen Betriebsbesichtigungen die Situation der Erhard-Lehrlinge gegenüber potenziellen Arbeitgebern anzusprechen. Zeitgleich telefonierten die Auszubildenden Unternehmen in der Region ab und schrieben Bewerbungen – mit unterschiedlichem Erfolg.

Besonders prekär ist die Situation für die beiden gewerblichen Lehrlinge. Ihre Meister befinden sich nicht im Abwicklungsteam, sondern wurden direkt zum Monatsende im Ok-tober freigestellt. Gerade Schlosser-Lehrling Jonas Müller hatte besonderen Druck zeitnah einen neuen Ausbildungsplatz zu bekommen.

Nachbarschaft springt ein

Bei dem 19-jährigen Rothenburger steht im kommenden Januar die Abschlussprüfung an. Die Aufforderung zur Anmeldung liegt schon vor. Doch um sie ablegen zu dürfen, muss man in einem Ausbildungsverhältnis stehen. Glücklicherweise kommt er bei einem Rohrtechnik-Betrieb in der Burgbernheimer Nachbarschaft unter. „Ich will einfach meine Ausbildung fertig machen und hoffe, übernommen zu werden“, sagt der angehende Schlosser erleichtert.

Bislang weniger Glück hatte sein 18-jähriger Schreiner-Kollege. Fotis Mylonidis aus Bad Windsheim befindet sich im zweiten Lehrjahr und kam erst im September ins Unternehmen, da er zunächst sein Berufsgrundschuljahr absolvierte. Er hofft, dass seine Bewerbungen doch noch positive Reaktionen hervorrufen.

Dass es mitunter ziemlich schnell gehen kann eine neue Stelle zu finden, zeigt das Beispiel von Anna-Lena Ferber. Anrufen, Bewerbung schreiben und zwei Tage später unterzeichnete die angehende Industriekauffrau im zweiten Lehrjahr aus Obernzenn den neuen Ausbildungsvertrag. Sie wird bei Wenz Wärmetechnik in Rothenburg zur Kauffrau für Büromanagement ausgebildet. „Es war eine wirkliche Erleichterung und ich freue mich sehr, dass sie mich genommen haben“, erzählt die 19-Jährige.

Sie könne trotz der etwas anderen Ausrichtung der neuen Ausbildung „mitnehmen, was sie in den letzten eineinhalb Jahren bei Erhard Sport gelernt hat“, kommentiert Rainer Lederer diesen Erfolg. Alle Azubis zeigen sich offen für derartige Wandlungen im Berufsbild: Ob als Kaufleute für Büromanagement, Groß- und Außenhandelskaufleute oder auch Kaufleute im Einzelhandel: Für sie steht im Vordergrund, einen neuen Arbeitsvertrag zu haben.

Richtig ins Zeug gelegt hat sich Isabella Frank. Mindestens zehn Bewerbungen hat die 22-jährige Ansbacherin geschrieben. Mit entsprechendem Ergebnis: Das bislang geführte Bewerbungsgespräch sei sehr gut gelaufen und für kommende Woche steht ein weiteres an. Der 17-jährige Pat Bunprom aus Bad Windsheim (2. Lehrjahr Industriekaufmann) wartet hingegen noch auf Rückmeldungen zu seinen Bewerbungen.

Der Kontakt mit der Bundesagentur für Arbeit hat den Azubis bislang wenig gebracht. Dort erhalte man auch nicht viel mehr, als was sowieso im Internet steht, ist die einhellige Meinung. Wenn man bei den Firmen direkt anruft, bekomme man bedauernde Antworten, weiß Nicole Kiertscher-Bäuerlein zu berichten. Meist können sie aber dennoch niemand aufnehmen.

Ältere Lehrlinge gefragter

Die „Sorgenkinder“ der beiden Betreuer sind die Auszubildenden im ersten Lehrjahr. Ihrer Erfahrung nach scheinen die „älteren“ Lehrlinge gefragter zu sein. Ob es aber am noch fehlenden Führerschein oder den selbstverständlich noch nicht vorhandenen beruflichen Grundkenntnissen liegt, vermögen sie auch nicht zu sagen. Unter den drei Lehrlingen, die erst seit September im Unternehmen sind hat sich zumindest für Daniel Kovalenko ein erster Hoffnungsschimmer aufgetan.

Der Rothenburger Baumarkt Pehl hat dringend kurzfristig einen neuen Auszubildenden gesucht. Der 19-Jährige darf nun dort erstmal zur Probe arbeiten und sich unter Beweis stellen: „Ich würde mich sehr über die Chance freuen, meine Ausbildung fortzusetzen, beziehungsweise endlich richtig damit anzufangen.“

Die zwei Industriekauffrauen im ers­ten Lehrjahr können von einer derartigen Möglichkeit bislang leider nur träumen. Die 17-jährige Marina Bardenbacher aus Ipsheim und die 16-jährige Selina Schneck aus Welbhausen hoffen aber weiter, dass ihre Bemühungen fruchten und ein Arbeitgeber sie zum Bewerbungsgespräch einlädt.

Sollte sich ein neuer Arbeitgeber finden, ist ein nahtloser Übergang für die Auszubildenden mittels eines Aufhebungsvertrags möglich. Sollte dies – was sich wirklich niemand wünscht – jedoch nicht passieren, können die Lehrlinge zumindest die theoretischen Grundlagen weiter vertiefen. Denn auch ohne neues Ausbildungsverhältnis dürfen sie die Berufsschule besuchen. mes

Unternehmen, die sich näher über die Auszubildenden informieren wollen, können Nicole Kiertscher-Bäuerlein unter der Telefonnummer 09843/9356125 oder Rainer Lederer 09843/9356309 kontaktieren.

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