Kriegstote und die Opfer des Terrors

ROTHENBURG – Die Feier des Volkstrauertages mit dem Gedenken an die Toten der Weltkriege war zugleich geprägt vom aktuellen Kriegsgeschehen in der Welt und vor allem vom grausamen Terroranschlag in Paris. Pfarrerin Sabine Baier mahnte zugleich christlich zu handeln und auf Terror nicht mit Gegengewalt zu reagieren.

Vor der Blasius-Kapelle im Burggarten haben sich die Abordnungen aufgestellt, nach der Ansprache folgt die Kranzniederlegung.   Foto: diba

Vor der Blasius-Kapelle im Burggarten haben sich die Abordnungen aufgestellt, nach der Ansprache folgt die Kranzniederlegung. Foto: diba

Bei stürmischem Novemberwetter hatten sich gut sechzig Teilnehmer außer den offiziellen Abordnungen am Sonntag gegen Mittag im Burggarten eingefunden, um der Weltkriegstoten zu gedenken. Wie immer waren die Organisationen und Vereine mit Abordnungen vertreten und die Jugendblaskapelle unter Leitung von Jan-Peter Scheurer umrahmte mit tragenden Musikstücken, wozu traditionell das Lied „Ich hatt einen Kameraden” (Wehrmacht und Bundeswehr) gehört.

Der Gedenkzug aus Reservisten der Bundeswehr, dem Technischen Hilfswerk, der Feuerwehr, dem Roten Kreuz sowie des Sportvereins, der Schützen und der Soldatenkameradschaft bewegte sich von der Herrngasse zur Blasiuskapelle und nach der Feier auch wieder im geordneten Zug durchs Burgtor zurück. Nach der Ansprache legten die Abordnungen, darunter auch die Stadt mit Oberbürgermeister und Bürgermeistern sowie Stadträten, Kränze in der Kapelle vor den Gedenktafeln der Gefallenen des 1. und des 2. Weltkriegs im Schein der Kerzen nieder.

Zwar sei man zum Gedenken an die Weltkriegstoten zusammengekommen, aber die Opfer der jüngsten Gewalt seien uns im Moment „viel näher, schlagen uns auf das Gemüt“, begann die Seelsorgerin ihre Ansprache vor der Blasisus-Kapelle. Der Krieg im Nahen Osten, in Syrien und Irak sowie Afghanistan sei durch die furchtbaren Anschläge von Paris nach Europa getragen worden und gehe uns sehr nahe. Auch in Rothenburg hätten bereits Flüchtlinge aus Kriegsgebieten Aufnahme gefunden.

Die jüngste Gewalt erinnere an die Worte der Apokalypse des Johannes im Neuen Testament, nach denen in den letzten Tagen Angst und Schrecken über die Welt komme. Bei Matthäus finde man Jesu Gleichnis vom Weltgericht, man werde danach bemessen wie man miteinander umgegangen sei. Krieg und Terror dürfe uns nicht verleiten mit dem Finger auf die Menschen in den Kriegsstaaten zu zeigen. Schließlich sei es nur 70 und 100 Jahre her, dass „die Länder Europas Gewalt und massenhaften Tod nicht verhindern konnten“. Seit 1952 sei der Volkstrauertag nationaler Feiertag und schon Brecht habe gemahnt, dass das Gedächtnis der Menschen für erduldete Leiden kurz sei. Wer wisse schon heute noch um das Leid und die Opfer der nationalsozialistischen Herrschaft, die Augen- und Zeitzeugen würden immer weniger.

Als konkrete Beispiele ging die Pfarrerin auf den ersten Weltkrieg ein, wie er in den Alpen tobte, wo allein dort Hunderttausende ihr Leben verloren, Deutsche, Österreicher, Italiener. Eindringlich wirkten die Notizen des österreichischen Soldaten Hans Haugeneder, den Sabine Baier zitierte, der unter schlimmen Umständen zwar den 1. Weltkrieg überlebte, aber dann im 2. Weltkrieg 1944 an der Front gegen Rußland fiel.

Italiener wurden Freunde

Wenn man heute Italiener in der Stadt treffe, dann könne man sich nicht vorstellen, dass man sich damals gegenseitig umgebracht hat. Seit siebzig Jahren habe man bei uns Frieden, aber in der Welt sähe es anders aus. Das Evangelium lehre uns sich um alle Menschen in Not zu kümmern. Barmherzigkeit sei gefordert. Davon dürfe man auch nach den Gefühlen der Hilflosigkeit, Verzweif­lung und Wut, die die Attentate von Paris auslösen, nicht abrücken.

Pfarrerin Baier berichtete, dass in Internetnotizen (Facebook) schon manche Rothenburger „den Gutmenschen“ Mitschuld geben, denn sie würden den Islam unterschätzen. Und sofort gäbe es andere, die dieser These zustimmten und gegen Gutmenschen und Muslime polemisierten. Baier: „Sie warnen sogar, dass sie zur Gegengewalt bereit wären, sollte der Terror nach Rothenburg kommen”. Die Seelsorgerin mahnte dazu die Anwesenden: „Das kann keine Antwort auf die Gewalt in Syrien und Paris sein!“

Wir Christen seien aufgerufen, gute Menschen zu sein. Das aber bedeute keineswegs „gutgläubig und naiv zu sein!” Die Gefahr durch Ideologie und Verblendung sei in jeder Religion gegeben. Man solle „unbeirrt an Jesu Christi Vorbild festhalten und für den Frieden zwischen den Menschen, den Konfessionen und den Religionen eintreten!” Ein guter Christ suche nicht nur in anderen die Schuld oder nehme gar deren Hass auf, vielmehr bedeute es „für den Frieden zu arbeiten und zu beten, unbeirrt daran zu glauben!”

Jetzt begleite man die Angehörigen und Trauernden mit Gedanken und Gebeten in Respekt und Anteilnahme, sagte die Pfarrerin im Hinblick auf die Toten von Paris. Am Volkstrauertag gedenke man aller Gefallenen und Opfer der Kriege und Terroranschläge. Mit Martin Luthers Lied „Verleih uns Frieden gnädiglich…“ schloß Sabine Baier ihre Rede.

Mit Trauerflor beflaggt

Nach dem Lied und der Kranzniederlegung in der Kapelle durch die Abordnungen trat Oberbürgermeister Walter Hartl ans Rednerpult, dankte allen Beteiligten und ging kurz auf die schrecklichen Terrorereignisse in Paris ein. Angesichts dessen dürfe man seine Menschlichkeit nicht verlieren, sagte er. Um die Verbundenheit mit der trauernden Nation auszudrücken werde das Rathaus mit der französischen und der deutschen Fahne sowie Trauerflor beflaggt.

Die Stadt hat bekanntlich mit der französischen Stadt Athis Mons eine enge Partnerschaft, die nächstes Jahr 40 Jahre alt wird und auf vielen auch sportlichen und anderen Vereins­kontakten fußt. Die Gemeinde liegt nur fünfzehn Kilometer südlich des Pariser Stadtzentrums und ist damit Teil des dicht besiedelten Pariser Umlandes. diba

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