Schöne Kulturperlen

Zur Erbauung: Liedernachmittag und musikalische Matinee

ROTHENBURG – Musik und Literatur bereichern die Freizeit oder begleiten Menschen als erfüllendes Hobby. Die Perlen im Kulturleben der Stadt setzen besondere Akzente und fügten dem Osterfest als bedeutendstes Fest der Christen einen feinen Glanzpunkt hinzu.

Wer sagt, in Rothenburg ist nichts los, ist entweder schlecht informiert oder auf der Suche nach anderen Reizen, um sich mit Lebenskraft zu füllen. Zu den Besonderheiten am vergangenen langen Wochenende gehörten festliche Gottesdienste, Kirchenkonzerte, Themenführungen, eine aufregende Ostereiersuche für Kinder und eine Wanderung abseits eingetretener Pfade zum abendlichen Osterfeuer oberhalb der Altstadt. Gelungen auch der musikalische Auftakt zur Saisoneröffnung des Sonntagscafés in der modernen Tagungsstätte Wildbad, die zugleich Kultur- und Veranstaltungsort ist und als eines der bedeutendsten Baukunstwerke des bay­erischen Historismus gilt.

Rund fünfzig Besucher freuten sich über das kleine, feine Gratiskonzert am Ostersonntagnachmittag im lichtdurchfluteten Rokokosaal und der netten Begrüßung durch den „Hausherrn“, Pfarrer Herbert Dersch, der auch die städtische „Märchenwoche“ im November um eine kulturelle Facette bereichert hatte. Erneut hatte er den Bariton Christoph von Weitzel verpflichtet, der bei seinem neuen Programm „Dem Wasser zu singen“ ebenfalls von Ulrich Pakusch am Flügel begleitet wurde. Aus den vielfältigen Schilderungen des Leben spendenden Elements Wasser in Musik und Dichtung griffen die beiden Künstler eine kleine Liederauswahl heraus.

Ostchor der Franziskanerkirche mit den Fenstern.      Foto: sis

Ostchor der Franziskanerkirche mit den Fenstern. Foto: sis

Sie war weitgehend dem Komponisten Franz Schubert gewidmet. Dieser hat das Gros seines Schaffens der kleinen Form, dem Lied und den Klavierstücken verschrieben. Er vertonte dabei Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine, Frédéric Chopin und viele andere Poeten. Auch das „Venezianische Gondellied“ von Mendelssohn-Bartholdy kam zu Gehör, bei dem der Liebhaber von seiner Geliebten verlassen, allein ins Boot steigt. „Du weißt, wie Sehnsucht im Herzen mir brennt“. Mal von Enttäuschungen gezeichnet, mal melancholisch, mal vergnügt besang der Bariton die menschlichen Empfindungen bei den Gedanken ans Leben und das Wasser.

In die Überleitungen zu den Stücken erzählte Christoph von Weitzel über die ungleiche Verteilung des Trinkwassers auf der Erde sowie dessen Vorkommen im Kosmos und dass der Mensch zu siebzig Prozent aus Wasser besteht. Auch die Geschichte des Wildbades ist eng mit dem Wasser verbunden. Einst nutzte die Stadt eine schwefel- und eisenhaltige Quelle und richtete ein kleines Badehaus ein. In den 1890er Jahren erwarb der Orthopäde Friedrich Hessing das Heilbad und ließ es von Architekt Robert Backer zum mondänen Kurhotel ausbauen. Doch der Adel blieb aus und am Ende des Ersten Weltkrieges sprudelte die Heilquelle nicht mehr. Ende der 1970er Jahre erwarb und restaurierte die evangelische Landeskirche das Bauwerk der Jahrhundertwende und richtete dort eine Tagungsstätte mit Hotelbetrieb ein. Bisher fand das Sonntagscafé im barocken Theatersaal mit der davorliegenden Terrasse bei schönem Wetter statt.

Über die Verlegung in den Speisesaal unter Nutzung der bestuhlten Freifläche am Eingang waren nicht alle Gäste begeistert. „Vorher war es schöner“, lautete der Kommentar. Die „Matinee unter den Fenstern“ des Ostchores der Franziskanerkirche am Ostermontag bietet alljährlich Musikern aus der Region ein Forum, ihr Talent und ihre musikalische Begeisterung einer interessierten Zuhörerschaft darzubieten.

In diesem Jahr hat Organisator und Mitwirkender, Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr, Block­flötenmusik aufs Pro­gramm gesetzt, dargeboten von An­nemarie und Rosemarie Graf mit ihrer Lehrerin Ruth Baum. Rosemarie Graf, die ältere der beiden Schwestern, steht schon im Studium. Sie hatte Blockflötenunterricht an der Städtischen Musikschule bis zum Abitur und war bis dahin eine der Besten der Blockflötenklasse. Annemarie Graf, mittlerweile ebenfalls Abiturientin, eiferte ihrer Schwes­ter nach und entdeckte dabei, dass die Blockflöte und ihre Literatur den Schlüssel zu einer Welt bargen, in der sie sich wohl fühlte und in der sie sich verwirklichen konnte. Fleiß und Begeisterung ermöglichten den beiden jungen Frauen die mitreißende Darbietung eines anspruchsvollen Programms, das sich auch für Ruth Baum als einer der selteneren Höhepunkte eines Musiklehrerlebens erwies.

Unter dem Arbeitstitel „Lieblingsstücke“ fiel die Wahl auf die „Sonata Prima“ von Dario Castello. Ein durchgehender Puls vereinigt virtuose, tänzerische, innige Aspekte frühbarocker Musik. Die Trio-Sonate C-Dur von Georg Philipp Telemann lässt Sätze mit Frauennamen erklingen: die widerspenstige Xantippe, die klagende Lucretia, die beschwingte Clelia. 2 Sätze der g-Moll-Sonate von Johann Sebastian Bach ziehen ihre Hörer in die von Harmonie zu Harmonie schreitende Bachsche Musik, mal sich gegen den Generalbass stemmend, dann wieder eng mit ihm verschränkt; aufreibende Affekte und schwierige Passagen zwingen die Spieler zu absoluter Konzentration und Verschmelzung. Annemarie und Rosemarie Graf fanden in Ulrich Knörr einen kongenialen Begleiter an der Lettner-Orgel. Er spielte am Anfang und am Ende der Matinee, wobei er mit dem Bach auf die Barockmusik der Blockflötistinnen einstimmte und mit dem Robert Helmschrott („Christ ist erstanden“) auf ihr modernes Stück noch eins draufsetzte. Genial wie immer.

Zwischen den Stücken sprach Dekan Hans-Gerhard Gross als Reaktion auf die drei Musikerinnen, den Frauentext aus Markus („Die drei Frauen am Grab Jesu“) und zitierte Gedichte und Gedanken der bekannten Schriftstellerinnen Marie Luise Kaschnitz, Hilde Domin, Else Lasker-Schüler und Hedwig-Maria Winkler. Mit lebensfroher Musik nach afrikanischen Motiven aus der dreistimmigen Suite „Pina ya Phala“ von Sören Sieg verabschiedeten sich die drei Blockflötistinnen. Das Publikum honorierte ihr ausdrucksstarkes Spiel mit kräftigem Applaus. sis

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