„Der Teufel und sein Martin“

Sonderausstellung verleiht dem Reformator und seiner Glaubenswelt identifizierbare Züge

ROTHENBURG – Im Rahmen der Lutherdekade widmet man sich auch in Rothenburg der reformatorischen Bewegung, der die Stadt früh zugetan war. Einen künstlerischen Vorgeschmack gibt eine Ausstellung in der Johanniterscheune des Kriminalmuseums, die am Samstagabend eröffnet wurde und sich mit Luther und dem Teufel als ständige Bedrohung beschäftigt.

Kriminalmuseumsleiter Dr. Markus Hirte und Künstler Volker Hedwig bei der Vernissage.  Fotos: Schäfer

Kriminalmuseumsleiter Dr. Markus Hirte und Künstler Volker Hedwig bei der Vernissage. Fotos: Schäfer

Doch zunächst zur Rothenburger Historie: Der blutige Bauernkrieg um 1525 verzögerte die Einführung der Lehre Martin Luthers. Es benötigte einen Generationswechsel, um die Ereignisse zu verarbeiten. 1544 wurde die Reformation dann maßgeblich durch Bürgermeister Johannes Hornburg, der in Wittenberg studiert hat, durchgeführt. Ein Bild des Rothenburger Reformators befindet sich auf einem der beiden Refomationsfenster in der Jakobs-Kirche. Auf diesem Luther- und Melanchthonfenster sind all die zu sehen, die an der Reformation maßgeblich beteiligt waren.

Unter einem über allem thronenden Lutherbildnis sind der sächsische Kurfürst Friedrich der Weise und der Landgraf Philipp von Hessen, die Schweizer Reformatoren Zwingli und Calvin als auch der Humanist und Großonkel Melanchthons, Johannes Reuchlin, und eben Johannes Hornburg abgebildet. Bedeutende Reformatoren wirkten in Rothenburg: Andreas Bodenstein, genannt Karlstadt, fand in den Mauern der Stadt Zuflucht. Der „Luther Sloweniens“, Primus Truber, predigte in der Spitalkirche und verfasste hier mit der Übersetzung des Katechismus das ers­te Buch in slowenischer Sprache. Der bedeutende Theologe Jakob Andreá erarbeitete Rothenburgs neue Kirchenordnung.

Mit dem Eisenacher Künstler und ausgebildeten Kunsterzieher Volker Hedwig hat Kriminalmuseumsleiter Dr. Markus Hirte die Ausstellung „Der Teufel und sein Martin“ nach Rothenburg geholt. In meisterlichen Zeichnungen auf kunstvollen Frottagen, für die der Thüringer die interessante Struktur alter Balken abreibt, zeigt er sein an der Universität Leipzig von der Pike auf erlerntes „Handwerk und sein Auge für die Allgegenwärtigkeit von künstlerischen Inspirationen. An Ideen und deren kunstvoller Umsetzung mangelt es dem 67-Jährigen nicht auf seinen Entdeckungstouren. Der Besuch auf der berühmten Wartburg in Eisenach, wo Martin Luther unfreiwillig ein knappes Jahr unter dem Decknamen Junker Jörg verbrachte, war für Volker Hedwig Quell der Fantasie.

Kleiner Katalog zur Ausstellung

Die abgenutzten Holzstrukturen der mächtigen Eichenholzflügel der Tore hinter der Zugbrücke zur Wartburg nahm der Künstler mit dem Durchreibverfahren auf und erweckte die Frottageblätter anschließend in seinem Atelier mit dem Stift zum Leben. Die geborenen Gestalten mit ihren durchsichtigen Gesichtern erklären sich fast von selbst. Die Besucher der Ausstellung wurden durch die Einführung über die Entstehung der Werke und die geschichtlichen Hintergründe vorgebildet und konnten so der Inspiration des Künstlers noch besser folgen. Außerdem gibt es einen kleinen, feinen Katalog zu der interessanten Schau.

Ob als Einzelstück oder wie in der Ausstellung als themenbezogenes Gesamt-Kunstwerk aus eigenständigen Objekten ist für jedes Auge offensichtlich, was es zu sehen gibt: Martin Luther als Junker Jörg, der Teufel als „höllische Majestät“ oder als außergewöhnliche Persönlichkeit und Teil der christlichen Weltanschauung, Ritter mit Pferd, eine edle Dame, dienstbare Geister.

Der Teufel hat Luther immer zu schaffen gemacht, spiegelt sich doch in der Theologie des Augustinermönchs die permanente Beschäftigung und Auseinandersetzung mit dieser Figur. Der Reformator war ein „Kind seiner Zeit“ und lebte in der Welt von Aberglauben, Dämonenspuk und Hexenwahn, in der der Teufel zu einer Instanz im Christentum wurde, zum eigenen Sündenbock, den man verantwortlich machen konnte, wenn Unheil drohte. Luthers Teufelvorstellung gründete auf persönlicher Erfahrung. Seine Ohrgeräusche (Tinnitus) hielt er für Botschaften des Satans.

Überregionale Aufmerksamkeit

Oberbürgermeister Walter Hartl äußerte in seinem Grußwort die Hoffnung, dass auch Rothenburg Inspirationsquell des Künstlers ist und verwies auf jahrhundertealtes Holz im Befestigungsring um die Altstadt. Die Formen und Strukturen böten ein reiches Betätigungsfeld für die Macht der allgegenwärtigen Suggestion. Walter Hartl würdigte in seiner Rede die engagierte Arbeit des Museumsdirektors. Mit Kulturveranstaltungen in der Johanniterscheune für die breite Öffentlichkeit setze Dr. Markus Hirte die Tradition seines Vorgängers Dr. Karl-Heinz Schneider fort. Rothenburg profitiere davon, dass die Einrichtung „nicht nur verwaltet“, sondern durch Kontakte und Forschungstätigkeiten „weiter entwickelt wird“ und überregionale Aufmerksamkeit erfährt, wie kürzlich durch einen Bericht im Bayernteil der Süddeutschen Zeitung.

Ausdrucksstark: Der Teufel und sein Martin

Ausdrucksstark: Der Teufel und sein Martin

Teufel und Luther sind bis 30. Juni in der Johanniterscheune zu sehen: immer Dienstag bis Donnerstag und am Wochenende von 13 bis 17 Uhr. Der Eintritt ist frei. Ausgeweitet wird das Thema mit einer großen Sonderausstellung von 2016 bis 2018, die sich mit der Haltung des Reformators zum Hexenglauben beschäftigt. Hochburgen waren die Fürstbistümer Bamberg und Würzburg. Nicht nur die katholische, auch die evangelische Kirche war an Hexenverfolgungen beteiligt.

Wahn der Hexenverfolgung

Luther war fest davon überzeugt, dass es Hexen gibt und dass sie durch ihre Zauberei Schaden an Mensch, Vieh und Ernte anrichten. Er forderte zur Tötung der Hexen durch das Feuer auf. Damit wollte er allerdings nicht mehr und nicht weniger, als dass ein für ihn real existierendes Verbrechen bestraft wird. Wie Mord oder Diebstahl sollte auch das Verbrechen der Zauberei geahndet werden. Ob Paracelsus, der Erfinder der modernen Medizin, oder Melanchthon, den man schon zu Lebzeiten den Lehrer Deutschlands nannte: Seine damaligen Zeitgenossen glaubten alle an Hexen und wollten ihre Bestrafung. Der eigentliche Hexenwahn, verbunden mit Massenhysterien und -tötungen setzte erst eine Generation nach Luthers Ableben ein.

Das Reichsstadtmuseum wird sich im nächsten Jahr den „Medien der Reformation“ widmen. Grundlage der Ausstellung unter dem Titel „Kampf der Konfessionen – ,Shit­storm‘ in der Renaissance?“ bildet eine umfangreiche Sammlung reformatorischer Flugschriften, die der Ansbacher Kanzler Georg Vogler nach seinem Tod 1550 der Stadt Rothenburg hinterließ. In diesem Fundus wird der erbittert geführte Glaubens- und Kulturkampf, der während der Reformation tobte, auf dramatische Weise deutlich. Den Auswirkungen kann man heute noch nachspüren und findet erschreckend aktuelle Parallelen: Bildersturm, zerstörte Gebäude, Hassprediger sind keine Phänomene der Gegenwart, sondern waren bereits damals Realität. sis

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