Historie, Rummel, Kommerz

Reichsstadttage wohin?

ROTHENBURG – Es hatte hoffnungsvoll begonnen: mit der Idee, dem historischen Geschehen bei den Reichsstadt-Festtagen wieder mehr Qualität zu verleihen, einen roten Handlungsfaden zu entwickeln und die Abläufe und Standorte neu zu ordnen. Das von drei Mitwirkenden erarbeitete solide Neugestaltungskonzept jedoch scheiterte am Widerstand der Gruppen.

Eyk Voigtländer, Jochen Ehnes und Benny Babel hatten sich viel Arbeit gemacht und zusammen mit den Historiengruppen ein vierzehnseitiges sehr fundiertes Papier als „Grundkonzept zur Neugestaltung“ entwickelt. Anstatt es zu diskutieren und daraus das Beste zu machen, stieß der Entwurf jedoch bereits im Juli auf Ablehnung – die drei haben inzwischen aufgegeben und es geht wohl vorerst nicht über kleine Veränderungen hinaus wie Tourismuschef Jörg Christöphler im Kulturausschuss die Woche verdeutlichte und bedauerte.

Von der Rokokogruppe in der Galgengasse bis zu den herausragenden Malern der Jahrhundertwende hörten Gruppen auf. Fotos: diba

Von der Rokokogruppe in der Galgengasse bis zu den herausragenden Malern der Jahrhundertwende hörten Gruppen auf. Fotos: diba

Bei einer Ausgangslage, bei der nur ein Drittel hinter dem Konzept steht, ein weiteres sich abwartend verhält und mindestens ein Drittel der Mitwirkenden aussteigen würde, wenn man die Standorte verändert traut sich niemand an die Umsetzung. Einvernehmlich hatte man eine sogenannte „Steuerungsgruppe” aus den drei genannten Personen mit dem Entwurf beauftragt. Diese legte Qualitätsstandards fest und schlug verbindliche Kriterienkataloge vor. Knackpunkt war jedoch vor allem im Hinblick auf das 2014 anstehende vierzigjährige Bestehen des Historienfests der „rote Regiefaden“, der Themenareale definiert und manches in den Gruppen verändert sowie alte Standorte verschiebt. Eine dauerhafte Marktplatzbelebung gehört ebenso dazu wie „Veranstaltungs-Hauptachsen mit Ereignisinseln”. Auch die Verlegung des Feuerwerks nach dem Fackelzug am Freitagabend wurde vorgeschlagen und eine Verlängerung der Veranstaltung auf volle drei Tage mit sinnvollen Kern- und Öffnungszeiten für Händler und Themenareale. Das Erscheinungsbild möchte man „auf eine historisch korrekte und repräsentative Qualitätsstufe“ angehoben wissen.

Ferner schlug man ein Umsetzungs- und Organisationsteam vor und ein gemeinsames Finanzierungsmodell, damit nicht nur einzelne Gruppen vom Verkauf profitieren und andere leer ausgehen. So etwas gefällt natürlich einzelnen bisher gut verdienenden Gruppen überhaupt nicht. Schließlich sollte es auch noch ein neues öffentliches Auftreten in der Werbung geben, ganz im Sinne einer klaren Identität vom Logo über Faltblätter und Plakate bis hin zum Netzauftritt.

Auf mehreren Seiten hat die Steuerungsgruppe bereits im Detail die gruppenspezifische Umsetzung aufgezeigt und fast schon eine Art Drehbuch mit wesentlichen Grundvorgaben entwickelt. Da bei allen Vorschlägen Vorhandenes gut eingebunden und lediglich verbessert oder weiterentwickelt wird, ist die Ablehnung schwer nachvollziehbar – außer dass sie auf dem Beharrungsvermögen und (eher unbegründeten) Ängsten vor Neuerungen fußt. Die verträgliche Einbindung von Gastronomie und Handel ist auch enthalten und ein farbiger Lageplan der Themenareale verdeutlicht, was gemeint ist. Oberbürgermeister Walter Hartl und Jörg Christöphler bedankten sich ausdrücklich für die vorbildliche und ehrenamtliche Konzeptarbeit und bedauerten die Schwierigkeiten.

In der Debatte wurde dann in seltener Offenheit Tacheles geredet, wobei das Beiratsmitglied Robert Hellenschmidt von einem sehr guten Konzept sprach, das zeige wie sehr es bisher am roten Handlungsfaden fehle. Er habe „mit Sorge gesehen wie das Historienfest zum pseudohistorischen Rummelplatz verkommen ist”. Auch Stadtrat Dr. Schneider spricht von „fortschreitender Kommerzialisierung, die die Gruppen auseinandertreibt”. Für ein durchgängiges Konzept brauche man „eine starke Kontrollinstanz”.

Das Verfahren von den ersten Besprechungen nach den Reichsstadttagen 2012 bis zur Konzeptablehnung sieht Christöphler als „Lernprozess, der zeigt, dass bestimmte Dinge nicht funktionieren”. Um keinen Aderlass der Mitwirkenden zu verursachen verzichte man auf Standortveränderungen und schlage nur sehr behutsame Veränderungen vor. So soll Festspiel-Regisseur Reiyk Bergemann vier historische Schlaglichter für den Marktplatz in Szene setzen. Für Gruppen, die mit einer „jubiläumsreifen Neugestaltung“ punkten wollen gibt es 400 Euro Prämie als Anreiz, wobei das jeweilige Konzept bis 21. Februar vorliegen muss.

Ein wichtiges Prinzip ist für Jörg Christöphler, dass alteingesessene Historiengruppen die Patenschaft für hinzukommende auswärtige Gruppen übernehmen, die nicht zu zahlreich werden oder letztlich gar dominieren sollen. „Das was wir angedacht haben ist nun gescheitert“, bedauerte Stadtrat Dr. Strobl, während die Grünen-Vertreterin Edith Hümmer meinte, da sei wohl „im gruppendynamischen Prozess etwas falsch gelaufen“. Stadträtin Jutta Striffler indes möchte „nicht so schwarz sehen” und hofft, dass sich doch noch alle „aufs Wesentliche besinnen” und junge engagierte Leute nachkommen. Traudl Reingruber erinnerte an die Anfänge 1974 als in ehrenamtlichen Nähkreisen unter Professorenaufsicht von Frau Goedeckemeyer noch auf historisch getreue Kostüme Wert gelegt wurde und es ein großartiges Fest der Rothenburger war, das sein Erfinder Verkehrsdirektor Rudolf Hundertschuh wie ein Regisseur mit Qualitätsanspruch im Griff hatte. Alle standen damals dahinter.

Jörg Christöphler gab zwar Robert Hellenschmidt recht, dass eigentlich die Stadt klare Vorgaben für den Festablauf und -Inhalt erstellen müsse, aber das funktioniere leider derzeit nicht. Es gäbe halt Gruppen „mit Gewinnerzielungsabsicht” und andere, die das nur idealistisch sehen. diba

Ein Kommentar zu Historie, Rummel, Kommerz

  1. Jochen Ehnes sagt:

    Für alle, die sich zum oben Beschriebenen ihre eigene Meinung bilden möchten, stellen wir hier zeitlich befristet das „Grundkonpept zur Neugestaltung der Reichsstadtfesttage“ als PDF-Datei zur wohlwollenden Lektüre ein.

    Auf der Startseite der „Münzer von Rothenburg ob der Tauber“ (www.die-muenzer.de) findet sich oben rechts ein ensprechender Link.

    Seriöse und konstruktive Kommentare bitte ausschließlich an jochen@ehnes-anbach.de
    Vielen Dank.

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