Die Macht des Volkes

Gemeinderatsbeschluss bestärkt beziehungsweise gekippt

GESLAU/INSINGEN – In Insingen hat die klare Mehrheit der Bürger die Position des Gemeinderatsbeschlusses zum hauptamtlichen Bürgermeister bestärkt. In Geslau wirft das knappe Ergebnis der Bürgerinitiative die Frage auf: Wie geht es weiter mit der Nachfolge um das Bürgermeisteramt bei der Wahl im kommenden März?

Enttäuschung bei Bürgermeister Dieter Mohr. Die Mehrheit der Ges­lauer Bürger hat sich gegen den Wechsel zum hauptamtlichen Bürgermeister entschieden und damit gegen ihn und den Gemeinderatsbeschluss gestellt. Bis kurz vor Ende der endgültigen Stimmenauszählung im alten Schulhaus unter Aufsicht von Wahlleiter und Zwei­ter Bürgermeister Richard Strauß blieb es spannend. Das Ergebnis fiel denkbar knapp aus. 56 Stimmen gaben den Ausschlag für den Erfolg der Bürgerinitia­tive, die damit den 9:4-Mehrheitsbeschluss des Gemeinderates kippte. 52,5 Prozent (466 Stimmen) plädierten für das Ehrenamt, 46,2 Prozent (410 Stimmen) für den Berufs-Bürgermeister. Die Wahlbeteiligung lag bei über 82,7 Prozent.

Sichtlich betroffen zeigte sich der frühere Bürgermeister und ehemalige Landrat Rudolf Schwemmbauer, der die Stimmenauszählung mitverfolgte, über das Ergebnis. „Es tut mir leid für Dieter Mohr, dass seine hervorragende Arbeit nicht stärker gewürdigt wurde.“ Er selbst hatte sich im Vorfeld für seinen politischen „Ziehsohn“ als neuen Berufs-Bürgermeister der Gemeinde stark gemacht und sah sich mit der ablehnenden Haltung der Bürger persönlich in Frage gestellt.

Geslauer Gemeinderäte und Freiwillige beim Stimmenauszählen im alten Schulhaus: Es war spannend bis zum Schluss. Fotos: Schäfer

Geslauer Gemeinderäte und Freiwillige beim Stimmenauszählen im alten Schulhaus: Es war spannend bis zum Schluss. Fotos: Schäfer

Die rund 1400 Einwohner zählende Gemeinde Geslau muss sich für die Kommunalwahl in sechs Monaten einen neuen Bürgermeister suchen, nachdem Dieter Mohr nach zwölf Jahren Amtszeit für die ehrenamtliche Lösung nicht mehr zur Verfügung steht. Berufliche Anforderungen und die zunehmende Gemeindearbeit lassen sich zeitlich nicht länger miteinander vereinbaren, begründete der 47-Jährige sein Umschwenken. Als ehrenamtlicher Bürgermeister hätte man ihn gern behalten. Die Bürger waren mit seiner Arbeit nicht unzufrieden, aber die Besoldungsstufen von Kommunalbeamten bewegten die Gemüter.

Acht Gemeinderäte, drei Ortssprecher und etwa zehn Unterstützer aus Geslau, Hürbel, Schwabsroth, Kreuth und Gunzendorf hatten auf einem Flugblatt an die Bürger appelliert, mit „Nein“ beim Bürgerentscheid zu stimmen und den Gemeinderatsbeschluss für einen hauptamtlichen Bürgermeister zu unterstützen. Vergeblich.

Günther Andrae, einer der Initiatoren des Geslauer Bürgerentscheids, sieht sich nicht als Sieger. „Ich habe lediglich angezweifelt, dass Geslau einen hauptamtlichen Bürgermeister braucht.“ Er zolle der Person und der Arbeit von Dieter Mohr „großen Respekt“, wie er betonte. „Ich werde das Gespräch mit ihm suchen und ihm die Hand reichen.“ Einen Kandidaten für das Ehrenamt gebe es nicht, versicherte er. „Vielleicht kann ich Dieter Mohr doch noch zum Weitermachen überreden.“

In der 1130-Einwohner-Gemeinde Insingen ist die Faktenlage anders. Das langjährige Gemeindeoberhaupt Rudolf Ebert kandidiert aus Altersgründen nicht mehr und ein aussichtsreicher Kandidat als Nachfolger ist in Sicht mit dem gebürtigen Insinger und Kämmerer der Verwaltungsgemeinschaft Rothenburg, Peter Köhnlechner. Die Wählergemeinschaft Insingen wird ihn demnächst offiziell nominieren. Allerdings müssen die Bürger mit dem Wechsel zum hauptamtlichen Bürgermeister tiefer in die Tasche greifen. Das nennt man wohl eine Kröte schlucken.

Mit einer klaren Mehrheit von 441:275-Stimmen scheiterten die Loh­rer Initiatoren mit ihrem Anliegen, die Gemeinde weiterhin von einem ehrenamtlichen Bürgermeister führen zu lassen und den eigenen möglichen Kandidaten Dr. Dietmar Lorek aufs Schild zu heben. Die Wahlbeteiligung betrug 77,9 Prozent. 60,66 Prozent lehnten den Lohrer Vorstoß ab. 37,8 Prozent erzielte die Bürgerinitiative und damit 166 Stimmen weniger. Das klare Ergebnis lässt offen, ob die Mehrheit der Bürger mit voller Überzeugung für die hauptamtliche Lösung mit dem Verwaltungsfachwirt gestimmt hat oder den Oberstleutnant aus Lohr am Einzug ins Rathaus hindern wollte.

Im Hauptort Insingen gab es 290 Stimmen gegen den Bürgerentscheid und 148 Befürworter. Ein Unterschied von 142 Stimmen. Im Ortsteil Lohr machte der Unterschied 41 Stimmen aus. 94 Bürger unterstützten den Lohrer Vorstoß, 53 sprachen sich dagegen aus.

Bürgermeister und Gemeindewahlleiter Rudolf Ebert atmete auf nach dem Wahlausgang und freute sich, dass eine klare Mehrheit der Bürger den Gemeinderatsbeschluss bekräftigt hat. Die letzten Wochen und Monate seien nicht einfach gewesen, sagte er am Wahlabend. Es wurden Lügen und Unwahrheiten verbreitet: „Wir müssen das Gesagte sich erst einmal setzen lassen.“

Vor dem Bürgerentscheid hatte sowohl die Wählergemeinschaft Insingen als auch die Lohrer Bürgerinitiative noch einmal Flugblätter an die Haushalte verteilt und um Unterstützung für die jeweilige Position geworben. Die Gruppe um das Bürgerbegehren hielt an ihrer Mehrkosten-Rechnung für den Berufs-Bürgermeister fest, die „zwischen 101220 und 111279 Euro pro Jahr zuzüglich Hinterbliebenenversorgung liegt“.

Die Wählergemeinschaft Insingen hielt der Gegenseite vor, „wissentlich mit falschen Zahlen zu operieren, um bei den Bürgern Angst vor utopischen Mehrkosten zu schüren und sie offensichtlich für dumm zu verkaufen.“ Dr. Dietmar Lorek war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Armin Heger von der Wählergemeinschaft Lohr äußerte sich gestern nur knapp: „Wir sind nicht enttäuscht. Der Wähler hat entschieden und damit Punkt.“ sis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*