Ein souveränes Trio
Kulturkritik: Gastspiel aus Ansbach im Toppler Theater
ROTHENBURG – Anspruchsvoll amüsant wie klug berührend fessel-te das Gastspiel des Theaters Ansbach ein volles Haus mit seiner musikalischen Revue „Das Herz sitzt über dem Popo“. In atemberaubendem Tempo zündete das Schauspieler-Trio Atischeh Hannah Braun, Klaus Lothar Peters und Helmut Büchel ein Feuerwerk der satirischen Kunst aus der Feder von Joachim Ringelnatz, Erich Kästner und Kurt Tucholsky.
Ein Glück, dass es zu diesem Tur-bo-Abend von den Ansbachern ein vorzügliches Programmheftchen gab. Denn manchen Titel möchte man nachlesen oder neu entdecken aus dieser scharfsinnig-humorprallen Kultur, die mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten den Todesstoß erhielt. Weit- wie scharfsichtig im Politischen, schmerzerfahren, doch unverbittert in Lie- besdingen verabreichten die drei dichtenden Geistesbrüder ihre Lebenserkenntnisse einst als poetische Pillen. Süß zunächst, bitter dann und heilsam in der Wirkung haben diese ihre Kraft nicht nur bewahrt, sondern erschrecken fast durch ihre Wahrheit auch im aktuellen Zeitgeschehen. Ob Bankenkrise oder Umweltvergiftung, ob Kriege oder Profitgier: Unbelehrbarkeit scheint die Regel von damals bis heute.
Bis zur Pause überwiegen kabarettistisch unterhaltsame Brettl-Perlen. Nach der Pause wird es zuneh- mend nüchtern, ja sogar melancholisch, bis sich mit der „Weihnachtsfeier des Seemanns Kuttel Daddeldu“ die Atmosphäre hafennah verwandelt und die roten, blau-en Scheinwerfer wie Lichtreflexe vom Kiez zu grüßen scheinen.
Als Fels in der Brandung wirkt Klaus Lothar Peters mit seinem hintersinnigen Schmunzeln am E-Piano. Dieses betatzt er auch gerne einmal wagneresk-bärig, was das zierliche Ding ihm wie mit beglückt scheinender Klangfülle entlohnt. Umwerfend Peters’ Version der „Feldfrüchte“ von Tucholsky/Eisler über die SPD, in der sich die Partei auch heute erkennen könnte: als bescheidenes Radieschen, außen rot, aber innen unbeschrieben weiß. Atischeh Hannah Braun überzeugt als temperamentvolle „Chansonette“, fasziniert mit ausdrucksstarkem Augenspiel.
Helmut Büchel, der das Programm konzipierte, ist der mehr oder weniger heimliche Star: Seine tragikomisch schillernde Spielkunst, sei es als höflich gierender „Holzwurm“ oder zu Tode operierter Patient, der eigentlich nur Hunger hatte, bezaubert und rührt zugleich. Toll! bhi
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