Ganz besonders
Abiturienten sagten mit viel Kreativität und Musikalität servus
ROTHENBURG – Abschluss und Abschied sind derzeit in aller Munde, vor allem in den Schulen. Dafür gibt es auch ganz besondere Spielarten, die sich mit jeder Menge kreativem und musikalischem Einsatz verbinden können, wie dieses Beispiel zeigt.
Getreu seinem Motto, der „Abikalypse“, ließ es sich der Abiturjahrgang 2019 des Reichsstadt-Gymnasiums nicht nehmen, während des Abschlusskonzerts über eine große Videoleinwand ab und an für eine „Sondersendung ins Krisengebiet RSG“ zu schalten. Dabei handelte es sich um in urkomischer Manier nachgestellte Unterrichtsszenen, garniert mit satirisch gekonnt wirkenden Lehrerparodien. Die reale, außerschulische Welt scheint derzeit tatsächlich dabei zu sein, sich in ein Krisengebiet zu verwandeln. Zugegeben, das ist etwas schwarz gemalt. Und doch waren es wohl schon einmal buntere Farben, deren sich die internationale Politik bediente, um globale Probleme zu lösen.
Wenn Moritz Ehrlinger, der als Moderator charmant, zielsicher und stets humorvoll durch den Konzertabend führte, also sagt: „Die Lage wird immer ernster und immer gefährlicher für die Schüler“, dann traf das nicht nur auf die eingespielte „Abikalypse“ im Klassenzimmer zu, es trifft wohl in Teilen auch auf die Welt außerhalb der Schulmauern zu.
Was all das nun mit einem festlichen Konzertabend zu tun hat? Nun, dieser hat gezeigt, dass irgendwo zwischen Hass-Kommentaren, hippem Egoismus und bis auf höchste politische Ebene gelebte Intoleranz, die gemeinsame Verbundenheit noch lebt. Dass es möglich ist, in einer schnelllebigen Zeit, wo es nun schon wieder um perfekte Lebensläufe und Karrieren gehen muss, kurz innezuhalten, für ein musikalisches Miteinander.
Und er hat gezeigt, welch musikalisches Talent ein Abiturjahrgang ganz offenbar im Stande ist aufzuweisen, wenn er denn will. Gleich zum Auftakt ließ das Blasorchester mit einem Michael Jackson-Arrangement von Michael Brown keine Zweifel daran aufkommen, dass in der RSG-Aula vor vollbesetzten Stuhlreihen ein qualitativ hochwertiges Konzerterlebnis ansteht.
Mit „Lollipop“ legte das Blockflötenensemble nach, ehe Hannah Walther und Samira Kilian mit ihrer zweistimmigen Interpretation des Songs „Extravagant“ für das sorgten, was gemeinhin gern als Gänsehaut-Moment bezeichnet wird. Mit John Williams berühmter Komposition zum Film „Schindlers Liste“ hatte sich das große Orchester gleich eines nächsten solchen Moments angenommen. Extraklasse, wie spielerisch leicht Elisa Pehl das anspruchsvolle Violinen-Thema aussehen ließ.
Auf John Williams folgte Ed Sheeran. Freilich nicht er selbst, nur sein Song „Nancy Mulligan“, den die „Irish Folk Band“ um Anna Stiegele an der Geige, Hannah Walther am Piano sowie Selina Kandert an der Gitarre, die gemeinsam mit Annika Englert zusätzlich den Gesangsteil übernahm, stilsicher und gekonnt vortrugen.
In Höchstform zeigten sich anschließend Lea Schneider und Rebekka Rank an der Querflöte mit dem „Duo: Romanza und Rondo“ von Franz Anton Hoffmeister. Im Anschluss wurde es zum ersten Mal richtig voll auf der Aula-Bühne, ein für ein Abitur-Konzert überraschend großer Chor, wagte sich an Queens Klassiker „Bohemian Rhapsody“ und Olly Murs Hit „Troublemaker“. Mit Erfolg, darf man wohl urteilen.
Nach der Pause eröffnete die Big Band mit „Smooth“ von Santana die zweite Hälfte hochklassig. Das große Orchester schob „Valse d‘ Amelie“ von Yann Tiersen hinterher. Dann hatten drei Ukulelen, gespielt von Rebekka Rank, Sophia Rabenstein und Selina Kandert, mit Coldplays „Viva la Vida“ ihren großen Auftritt.Ein so netter wie sehenswerter Einfall.
Emotional wurde es zum Abschluss nochmal mit der Chorinterpretation von „New Tomorrow“, einst von „A Friend in London“ geschrieben, ehe „das Abi-Lied“ auf Peter Schillings Major Tom-Melodie den endgültigen Schlusspunkt setzte. „Völlig losgelöst von der Schule“, wie die Abiturienten sangen, ist es schon in den letzten Tagen rein in viele neue, persönliche Abenteuer gegangen.
Rein, in einen „Neuanfang für uns alle“, wie es Moritz Ehrlinger formulierte und anfügte: „Ich bin sicher, dass jeder von uns – auch wenn über Umwege – sein Ziel finden wird.“ Und vielleicht auch seinen Teil dazu beiträgt, dass aus „Abikalypse“ nicht Apokalypse wird, dass näher zusammengerückt wird, wenn es drauf ankommt, anstatt – um im Bilde zu bleiben – mit Stühlen aufeinander zu werfen. og
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