Soll die Welt so bleiben wie sie ist?

Eine wundervolle Hommage an Erich Fried in der Stadtbücherei Rothenburg

ROTHENBURG –  „Lyrik  an einem Sommerabend“  –  nun zum dritten Mal und damit fast etabliert im Rothenburger Kulturreigen –  war sehr gut besucht.

Ruth Baum, Cornelia Kartak, Hannelore Hochbauer und Peter Noack (von links) bescherten dem Publikum eine wundervolle Fried-Hommage. Foto: privat

Was die letzten zwei Jahre stets im schönen Innenhof des Büchereigebäudes seinen Platz fand, musste wegen der unsicheren Wetterlage in die Eingangshalle ausweichen. Sie machte wegen der guten Akustik das Mikro überflüssig – ein Vorzug, der automatisch große Nähe zum aufmerksamen Publikum schafft.  Im Zentrum: der Dichter Erich Fried.

Wie schon bei den bisherigen Lyrik-Abenden haben Hannelore Hochbauer, Ruth Baum, Peter Noack und Cornelia Kartak das umfangreiche Schaffen Frieds inhaltlich aufgearbeitet und strukturiert sowie in sein literarisches Umfeld eingebaut.  So sind Ingeborg Bachmann, Hilde Domin und Peter Handke literarische Begleiter und zum Teil auch Orientierung gewesen.

Sechs  Themenfelder reihten sich, Fried  darstellend und der Chronologie folgend, aneinander.  Sie ließen am Ende ein Gesamtbild des Dichters entstehen: im Wechsel vorgetragen mit sehr viel Engagement,  mit großer Einfühlsamkeit und vielen, vielen beeindruckenden Textbeispielen.

Den von Kindheit an gehbehinderten Fried prägen frühe Erlebnisse: Nach einer Demonstration mit 87 Toten 1927 in Wien, dem Geburtsort Frieds, weigert er sich vor dem Polizeipräsidenten ein Weihnachtsgedicht aufzusagen. Das Naziregime treibt die Familie dann ins Exil nach London. Dort entsteht der Gedichtband „Von Bis nach Seit“. Ruth Baum trägt daraus Hiroshima markierend vor:  „Nach den Verbrechen der Einen das Verbrechen der Andern. Wohin morgen noch fliehen,wohin wandern?“

Augenfällig: Er ist ein politischer Dichter 

Von Beginn an unübersehbar: Fried ist politischer Dichter, auch wenn Liebesgedichte später augenfälliger scheinen. Peter Noack spricht  empathisch eindringlich:  „Wer ohne Sünde sei, werfe den ersten Stein – Da könnten die Steine ungeworfen verwittern“ zitiert er und Hannelore Hochbauer spricht weiter: „Die Jungen werfen im Spaß mit Steinen nach Fröschen – Die Frösche sterben im Ernst“

Solche Zeilen Frieds sind bezeichnend für die 60er Jahre, die Zeit des Vietnamkriegs. Von da an arbeitet Fried mit dem Verleger Klaus Wagenbach zusammen. Die 70er bringen mit Attentaten und Entführungen eine gesellschaftliche Herausforderung mit sich. Fried wird wie andere auch teilweise in die Nähe der RAF gerückt – zu Unrecht, denn er ist strikt gegen Gewalt.

Geblieben sind aus dieser Zeit daher eher  Liebesgedichte: „Es ist Unsinn sagt die Vernunft. Es ist, was es ist, sagt die Liebe…“ … und er meint, die Liebe nimmt die Menschen wie sie sind. Am Ende steht Fried politisch zwischen grünen Realos und der SPD, aber  seine Gedichte sprechen Lebensweisheit.

Mit menschenverachtender Haltung geht er zeitlebens ins Gericht. Sätze wie: „Wer will, dass die Welt so bleibt, wie sie ist, der will nicht, dass sie bleibt“, oder: „Zweifle nicht an dem, der dir sagt, er hat Angst, aber hab Angst vor dem, der dir sagt, er kennt keine Zweifel“,  sind schon fast Legende. Und aus den Zeilen „Halte dich immer wieder ans Leben. Das tut auch der Tod“, spricht letztlich die lebensbejahende Haltung eines beständigen Kritikers.

Die zahlreichen Zuhörer goutieren diese Hommage an einen bedeutenden Lyriker mit begeistertem und langem Beifall. Zwei intensive Stunden mit Sektpause haben Fried vorgestellt, erklärt und verstehen lassen. Der Fried-Abend findet am 18. Oktober ab 19.30 Uhr im Theater am Burgtor eine Wiederholung. Der diesmal erzielte Spendenerlös geht an das Kulturerbe Bayern für das Projekt „Judengasse 10“.               jhf

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*