Die holde Kunst

Besonderer Konzertabend auf Schloss Schillingsfürst

ROTHENBURG – „Es geht um Schubert!“ sagten Can Çakmur und Gabriel Sin. Und tatsächlich: es ging um Schubert bei dem Liederabend. Doch schon mit ihrer gemeinsam vorgetragenen Einführung empfahlen der in Hongkong geborene Tenor Sin und der aus Ankara stammende Pianist Çakmur ihren Zuhörern eine neue Perspektive.

Tenor Gabriel Sin und der Klaviervirtuose Can Cakmur. Foto: Grüber

Sie boten kürzlich Franz Schuberts „Schöne Müllerin“ im Konzertsaal von Schloss Schillingsfürst auf erfrischend unterhaltsame und hintergründige Weise. Wozu auch gehörte, von Anfang an dem Zuhörer das Rätsel aufzugeben, was Schubert an der Geschichte des unerhört verliebten, unerhört romantisch sich nach dem Objekt der Begierde verzehrenden, unerhört wort- und bildgewaltigen aber auch unerhört feigen Müllers derart  reizte, dass er jene für ein gewöhnliches Singspiel als für zu wertvoll erachtete.

Vielsagend: der Autor der Gedichte hieß selbst (Vorname: Wilhelm) Müller und verewigte darin seine eigene, unerfüllte Liebe zu einer Luise (Nachname: Hensel). Die beiden jungen Künstler ließen es folglich in der Darbietung auch nicht an Entertainment fehlen. Wobei der geschickte Einsatz von Gestik und Mimik beim Sänger, das Wechseln seiner Stellung zum Publikum, sein musikautomatenhaftes Erstarren zum Ende jeden Liedes und die vor das letzte Lied gesetzte, totenstille Generalpause nur äußerlich unterstrichen, wie die beiden künstlerisch Schuberts Geheimnis ergründeten.

Umspielt von Can Çakmurs souverän ausgeführter und einfühlsam angepasster Klavierbegleitung, nutzte Gabriel Sin alle Facetten seiner eindrucksvollen Stimme. So fällt der „Neugierige“ unvermittelt beim Nachdenken über die „Wörtchen“ „ja“ und „nein“ in ein Bachsches Rezitativ. Später jubelt der Heldentenor, die Angebetete sei endlich „Mein!“.  Zum Ende klingt der ebene Ton des Madrigals der Renaissance an. Um in einem der schrägsten Wiegenlieder der Musikgeschichte – hier besingt sich der psychopathische Mühlbach als Beschützer des ewigen Schlafes – allmählich zu ersterben.

Gar nicht ersterben wollte dagegen der Applaus der an die fünfzig Zuhörer. Sie gaben sich nicht mit der ersten Zugabe (Brahms: „Wie Melodien zieht es mir leise durch den Sinn“) und auch nicht mit der zweiten (aus Brahms „Zigeunerliedern“), sondern erst dann zufrieden, als Can Çakmur und Ga-briel Sin mit Schuberts Lied „An die Musik“ die passenden letzten Worte gesprochen – pardon: in bühnenreifer Artikulation gesungen – hatten: „Du holde Kunst, ich danke Dir.“ ug

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