Intensiv am Stoff gearbeitet

Theatergruppe „Schau mer X“ begeisterte das Publikum

ROTHENBURG – Nusch entdeckt die Demokratie  – und der amtierende Oberbürgermeister leistet dazu seinen Beitrag. Der Inklusionsbeirat der Stadt Rothenburg als Veranstalter konnte sehr zufrieden sein: Fast 400 Theater-Fans wollten bei der Premiere des neuen Stücks der Theatergruppe „Schau mer X“ der Diakonie Neuendettelsau „Sahnehäubchen – oder ein Stäubchen im Getriebe“ dabei sein.

Das Ensemble brachte eine beachtliche Schauspielleistung auf die Bühne. Foto: Assel

Nach seinem Grußwort findet sich  Oberbürgermeister Walter Hartl, ehe er sich’s versieht, als Akteur in der ersten Szene wieder. Brezen einkaufen in einer kleinen Bäckerei – kaum ist sein Auftritt souverän gemeistert, liegt auch schon Revolte in der Luft. Über Frauenrechte wird getratscht, über anstehende Wahlen und, dass sich Einiges ändern muss.

Die umtriebige Sarah von Pringsheim, selbstbewusst und doppelbödig gespielt von Elli Hausner, bestellt beim von Günter Feiler treffend verkörperten Bäckermeister Fechenbach die Torte aller Torten. Torten kann er gut. Gutmütig und großzügig ist er, zu Angestellten und Kunden, aber halt auch etwas depressiv. Seine tüchtige Tochter müht sich verzweifelt den Laden beisammen zu halten. Anrührend spielt Jasmin Ebert die stille, pflichtbewusste junge Frau.

Die wagt sich mutig in die Höhle des Löwen. In der Großbäckerei Grombichler will sie das fehlende Geld verdienen und verliebt sich dort auf den ersten Blick in den von Johannes Heidingsfelder lässig dargestellten Gehilfen Johnny. Beinhart geht es zu beim großen Bäcker. In der Belegschaft haben sie die Nase voll vom Dauerstress, Schikanen und schlechter Qualität. Gerne möchten sie bessere Ware backen, aber der Profit geht vor. Ute Heidungsfelder spielt die Rolle der harten Vorarbeiterin Dorothea Überbrück konsequent.

Schlimmes muss Gabi Naczinsky in der Rolle der treuen Herta Herrlich erleben. Ihr Rausschmiss geht zack, zack, zack nur weil etwas zu langsam geht. Überbrück versteht keinen Spaß, wenn es um das Ergebnis geht. Spaß hat die Belegschaft aber trotzdem und Zusammenhalt. Nusch ist einer von ihnen. Fleißig, lustig und zufrieden – so zeigt Man-fred Bögner seine Bühnenfigur sehr überzeugend. Man merkt seinem Spiel an wie gern er der Nusch ist. Wäre nur der Grombichler nicht so selbstsüchtig und machtbesessen.

Die einzelnen Charakterzüge zum Klingen gebracht

Mit Grombichler-First-Egoismus treibt er seine Leute samt seiner stolzen, aber auch von seiner Sturheit frustrierten Frau (Heidi Dawidziuk) beinahe zur Verzweiflung. Bürgermeister will er auch noch werden. Hans Kienappel gelingt es, diesen Typen fein zu spielen – den Hochmut und die Ignoranz, aber auch die Unsicherheit und das Zerbrechliche an der Person bringt er zum Klingen.

Während Grombichler mit seinem vom Maler Georg Schimpf gefertigten Portrait nicht zufrieden sein will, braut sich in seiner Bäckerei etwas zusammen. Die ganze Belegschaft folgt dem eindringlichen Werben der von Pringsheim in deren geheimnisvolles Hotel „L’amour“. Johannes Wagner als Maler und Bäcker Schimpf und Franziska Holland-Moritz als gerechtigkeitsliebende Ludowika Ell führen sie an. Und dann überschlagen sich die Ereignisse: Johnny und Helene werden vom verkrachten Theologen Oskar-Maria Fürst spontan getraut, eine Rolle die Hans Otto Enzelberger wie auf den Leib geschrieben ist, dem Revoluzzer-Treffen folgt eine Wahl – und die gewinnt nicht der Grombichler, sondern der immer hilfsbereite, ausgleichende  Bäckergeselle Kurti (Georg Prell), den sie alle so mögen. Die Torte aller Torten wird auch noch gebraucht, um dem Grombichler zu zeigen, was man von ihm hält. Gegessen wird sie allerdings nicht.

Die pfiffige Theater-Bande um Regisseurin Heike Pfänder spielt mit großer Aufmerksamkeit. Jeder achtet auf die anderen. Man hilft einander, wenn es einmal hängt. Es ist zu spüren wie intensiv am Stoff gearbeitet wurde. Individuelle Ideen sind mit einem roten Faden gut verwoben. Ein für „Schau mer X“ ganz ungewohntes Bühnenbild in dem mit weißen Vorhängen die Spielräume immer wieder verschoben und mit nur wenig gegenständlicher Kulisse oder Bildeinspielungen neu gestaltet werden, war für die Spieler sicher eine Herausforderung, brachte aber das Spiel verstärkt zur Geltung – souverän technisch betreut von Ulrich Pfänder und David Dawidziuk.

Als erste stand Lisa Scherer in einer ihrer vier Figuren als Elya auf der Bühne – und das auch noch beim ersten Auftritt vor großem Publikum und fängt so an: „Gehen Sie nach Hause! Auf Wiedersehen!“ Ein Wiedersehen kann es am Freitag, 28. Juni, um 19.30 Uhr in der Paulskirche in Dinkelsbühl geben. tk

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