Ein Landschaftsgarten mit Fragezeichen?

Das Bild des Pittoresken wird aus vielen Quellen gespeist

ROTHENBURG – Es waren zwei Tage konzentrierten Zuhörens bei der wissenschaftlichen Tagung im Wildbad unter dem Stichwort pittoresk und mit dem zu hinterfragenden Titel „Rothenburg als Landschaftsgarten”. Die vierzehn Referentinnen und Referenten boten ein großes Spektrum von Architektur über Literatur bis zur Musik im Kontext zum Thema.

Interessierte Zuhörer bei der zweitägigen Wissenschafts-Tagung im Rokoko-Saal des auch pittoresk wirkenden Wildbades. Foto: diba

Gewissermaßen aus erster Quelle der englischen Gartenstadtplanung mit Rothenburg-Anklängen wusste der Londoner Architekt David Davidson zu berichten, während Vicky Axell aus dem englischen Letch-worth das Wirken der Architekten Barry Parker und Raymond Unwin von 1896 bis 1914 in England mit dem Entwurf von Letchworth, der weltweit ersten Gartenstadt, näher beleuchtete.

Zur Substanz dieser fachlich in dieser Form ziemlich einzigartigen Tagung trugen immerhin gleich fünf Dozenten und eine Dozentin aus Rothenburg bei, was deutlich machte wie groß die örtliche Kompetenz dazu ist. Und nicht nur dies, denn vor allem der hiesige Architekt Eduard Knoll setzte in seinem Vortrag nicht nur ein deutliches Fragezeichen hinter Rothenburg als Gartenstadt, sondern sorgte auch für einen Kontrapunkt, indem er gleich einige unliebsame Wahrheiten ansprach. Seine auf intimer Ortskenntnis und Historienentwicklung basierende kritische Betrachtung ergänzte sich idealerweise mit Beiträgen wie dem von Dr. Eva Battis-Schinker und Dr. Nils M. Schinker zur Dresdner Gartenstadt Hellerau. Der dortige malerische Städte- und facettenreiche Wohnungsbau findet in Rothenburg noch einzelne, leider wenig bis gar nicht wertgeschätzte Verweise, wie Knoll an Beispielen in der Bahnhofstraße sowie der Bensenstraße aufzeigte.

Nur ein Auftakt zu den Themenjahren

Kultur- und Tourismuschef Dr. Jörg Christöphler verdeutlichte in seinem Einleitungsreferat am Freitagfrüh die Theorie der malerischen Architektur im 19. Jahrhundert bis zum Städtebau nach künstlerischen Grundsätzen des Wiener Stadtplaners Camillo Sittes von 1889. Er führte in die von ihm kreierten Themenjahre 2019 bis 2021 ein, von denen die Wissenschaftstagung nur einen Auftakt darstellt und bereits als nächstes Ereignis die Monnikendam-Gemäldeausstellung im RothenburgMuseum ansteht.

Im Unterschied zur englischen Rezeption Rothenburgs aus dem Geiste der humanitär sozialistischen Arts and Crafts-Bewegung falle die deutsche Wahrnehmung deutlich nationaler aus, stellte Christöphler fest. Die nationalkonservative Betrachtung ist dann unter den Nationalsozialisten entsprechend vereinnahmt worden. Das romantisch verklärte Rothenburg-Bild zeigte Dr. Christöphler anhand eindrucksvoller Beispiele aus Malerei, Literatur und Kunstbetrachtung auf. Im Deutschen werde das Pittoreske gerne mit Biedermeierlich-Beschaulichem oder rein touristischer Wahrnehmung gleichgesetzt. Die Frage lautete wie sich ein spezifisch moderner Begriff davon gewinnen lässt und welche Rolle Rothenburg dabei zukommt.

Der Berliner Prof. Dr. Adrian von Butlar erläuterte den neuen Naturbegriff im Zuge der Aufklärung ab etwa 1730. Damals wandte man sich vom streng geformten fürstlichen Barockgarten ab und propagierte eine freiere Form des Landschaftsgartens. Das Ganze gepaart mit einer dazu passenden Landschaftsmalerei und schließlich Ende des 18. Jahrhunderts das bildhafte Gestalten zum ästhetischen Selbstzweck. Was man als schön empfindet zeigte sich ebenso differenziert wie die bis zum Kitschigen strapazierten malerischen Effekte mancher Künstler.

Rothenburg einst ein Malerparadies

Am Freitagnachmittag ging dann Museumsleiter Dr. Hellmuth Möh-ring auf die Rothenburger Stadtansichten im 17. bis 20. Jahrhundert ein. Vor allem Gustav Kraus (1804 bis 1852) habe Rothenburg in seinen Lithographien als Teil eines Naturerlebnisses zelebriert. Im Nationalsozialismus sei das der Stadt ab 1900 übergestülpte Fremdbild durch Maler wie Wilhelm Schacht, Max Ohmayer oder Ernst Unbehauen verstärkt worden. Arthur Wasse und Peter Philippi prägten das künstlerische Gesamtbild bis heute. Dr. Karl-Heinz Schneider betrachtete besonders die Werke von Wasse und Elias Bancroft, die als englische Maler herausragen, Rothenburg habe bis Mitte des 20. Jahrunderts als Malerparadies gegolten.

Der Erlanger Professor Dr. Hans Dickel folgte den Spuren von Turner, der mit seinen Aquarellen schon 1817 ein pittoresk anmutendes Bild der fränkischen Landschaft entwarf und auch in Rothenburg war. Das „als authentisches Mittelalter wahrgenomme Bild” sei in der Außenwahrnehmung Rothenburgs bei französischen wie englischen Autoren vorhanden gewesen, zeigte Dr. Florian Huggenberger in seinem Referat auf.

Mit Architekt David Davidson aus London bekamen die Zuhörer Samstagfrüh einen spannenden Auftakt in englischer Sprache in einer umfassend detaillierten Darstellung zur Gartenvorstadt Hampstead in Nord-London geboten. Deutsche und kontinentale Baustile hatten die Planer Parker und Unwin studiert und dabei auch Rothenburg-Impressionen einfließen lassen. Aber auch die Musik mit dem Kunstlied und Tonmalerei (Dozent Kilian Sprau) oder das Landschaftsideal in der romantischen Literatur (Dozentin Dr. Carina Jung) eröffneten interessante Perspektiven. Johanna Kätzel zeigte Rothenburgs Präsenz im Film bis hin zu heutigen Computerspielen auf, während Prof. Dr. Bernd Guggenberger, Berlin, (bekannt von seinen Diskurse-Vorträgen im Musiksaal) zum „Spaziergang am Anfang und Ende der Moderne“ einlud und meinte: „Das Pittoreske vermittelt zwischen Schönheit und Schrecken”.

Einflüsse des bekannten Architekten und Planers Theodor Fischer (1862-1938) – das Luitpoldschulhaus ist von ihm – seien zwar erkennbar, aber eine Gartenstadt nie wirklich in Rothenburg geplant worden, konstatierte Eduard Knoll. Heute sei die Landschaftszersiedelung nicht aufzuhalten, aber schon immer hätten wirtschaftliche Überlegungen Vorrang gehabt. In eindrucksvollen alten Karten und Bildern zeigte Knoll die Stadtentwicklung des 19. und Anfang 20. Jahrhundert auf. Einst sei Rothenburg von allen Seiten gesehen wie eine Burg frei in der Landschaft gestanden, alte Gärten wurden bald überbaut und für eine wirklich gewollte Gartenstadt habe es nicht gereicht. Seine Fotos vom zugeparkten Grüngürtel am Bezoldweg über den völlig zugebauten alten Amtsgerichtsgarten bis zu dem aktuell vor einer Wohnbebauung  stehenden grünen und historischen Philosophenweg spannten den Bogen zum heutigen gar nicht so pittoresken Rothenburg. Dabei nimmt auch Knoll an, dass bei den Besuchen der Architekten Unwin und Kollegen schon um 1900 über mögliche Gartenstadt-Pläne geredet wurde.

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