Sauber derbleckt

Politiker bekommen in Schillingsfürst den Spiegel vorgehalten

SCHILLINGSFÜRST – Erfolg auf ganzer Linie: Auch in ihrer vierten  Auflage konnte die Veranstaltung «Derblecken am Schloss-Berg» die Zuschauer von der ersten Minute an bis zum Ende – nach immerhin vier Stunden – in ihren Bann ziehen. Anstatt mit der verbalen Keule unter die Gürtellinie der politischen Amtsträger zu zielen, überzeugten Singspiel, Theater, Gstanzl und natürlich die Fastenpredigt mit scharf- und tiefsinnigem Humor, überraschenden Pointen und einer Meisterleistung in Sachen Imitation der bekannten Lokalprominenz.

Auf der Festkomitee-Sitzung zum anstehenden Mittelaltermarkt tauscht sich die Schillingsfürster Lokalprominenz über ihre Ideen aus. Foto: Scheuenstuhl

Die Zuschauer in der ausverkauften Albert-Zietz-Halle trieb vor allem die Frage um, welcher Politiker denn den Schneid habe, persönlich zu erscheinen, um den Spiegel vorgehalten zu bekommen. Martin Rohn begrüßte die anwesenden Volksvertreter (bei der Premiere am Freitag unter anderem Karl Beck, Hans Henniger, Dr. Peter Bauer, Peter Köhnlechner und Silke Sagmeister-Eberlein) auf seine bekannte Weise: mit Gstanzl, die mit wenigen Worten deren Charakter oder politischen Umtriebe auf den Punkt brachten.

Gesellschaftskritische Poesie

Der erste Höhepunkt des Abends war Überraschungsgast Matilda Hulsman. Die 11-jährige Rothenburgerin ist eine äußerst talentierte Poetry-Slamerin und begeisterte mit ihrem gesellschaftskritischen Vortrag die Zuschauer. Mit beachtlicher Treffsicherheit und eindringlicher Vortragsweise stellte sie «unsere fette erste Welt», wo der «Egoismus kaum zu toppen» sei, dem Rest der Welt gegenüber, wo sich für diesen Wohlstand «tausend Seelen plagen».

Während hierbei Missstände direkt angesprochen wurden, entfaltete sich die Kritik beim Singspiel «Ein Deutschkurs in Franker» (musikalische Begleitung: Waldemar Haffner) vielmehr auf humorvoll-subtile, aber ebenso wirksame Weise. Dank der gestrengen Deutschlehrerin Melanie Elsner (Maja Löschel) machten die Kursteilnehmer Orhan Yüksel (Ralf Albig) und Murat Özgül beachtliche Fortschritte – jedoch zum schlechteren. Kein Wunder, wenn sogar der Integrationsbeauftragte vom Bezirk Mittelfranken, Paul Lahner (Matthias Bär) erklärt: «Es ist aber wichtig, dass ihr alle wie wir sprechen tut.»

Mit einem lupenreinen Deutsch überzeugte hingegen die Kursteilnehmerin in der Burka (Markus Löschel). Den Ganzkörperschleier trug die aus Recklinghausen stammende Dame weniger aus religiösen Gründen, sondern vielmehr aus Scham. Denn ihr «vorlauter Stadtrat» habe sie zu dem Kurs geschickt, erklärte sie und lüftete ihr Geheimnis. Darunter versteckte sich nämlich San-dra Bonnemeier, Bürgermeisterin von Leutershausen.

Rat an Bonnemeier

Angesprochen auf die negative Berichterstattung über sie in der Presse entgegnete sie: «…mit euerer Zeitung da wisch ich mir täglich, Entschuldigung, meinen Hintern ab!» Integrationsbeauftragter Paul Lahner riet ihr dabei aber aufzupassen, dass sie dann «am Ende nicht am Arsch gescheiter» sei als im Kopf.

In Bestform zeigte sich auch wieder Christoph Maul, der in Person von Fürst Philipp-Ernst zu Hohenlohe-Schillingsfürst die Fastenpredigt hielt. Unter dem Publikums-Gesang der «Wörnitzwellen» betrat er in neuem Gewand – sein bisheriges wurde später am Abend noch anderweitig gebraucht – den Saal und legte sogleich mit seiner gedankenreichen Politiker-Schelte los.

Wie ins Amt gekommen?

Ein Dobrindt sei für ihn die «Maßeinheit eines unsympathischen, unfähigen Politikers, der bis heute nicht weiß, wie er in sein Amt gekommen» sei. Bei einem Scheuer komme zum «Fehlen von Empathie und Kompetenz noch gesteigerte Großkotzigkeit dazu» sowie ein «fragwürdiger Doktor-Titel einer Universität in Prag». Dieser sei aber nur da etwas wert, «wo auch in einer Apotheke Rezepte von Dr. Oetker akzeptiert werden».

Sie Summe aus einem Scheuer und einem Dobrindt sei, so die Rechnung des Fastenpredigers, ein Lindner – oder wenn eine schlechte Frisur und eine Dauercholerik hinzukomme ein Hofreiter. Man könnte aber ebenso gut Seehofer dazu sagen. Dieser sei, nach eigener Aussage, seit 1980 bereits selbst im Internet unterwegs, obwohl Bill Gates da gerade erst in seiner heimischen Garage an Microsoft getüftelt habe.

Aber auch die regionale Politik lieferte Christoph Maul mal wieder ausreichend Stoff für seine Pointen. Dass sich etwa Dinkelsbühls Oberbürgermeister Dr. Christoph Hammer einen Bart hat wachsen lassen, sei nur mit dessen Plan zu erklären, unerkannt auf die OB-Kandidatenlisten der anderen Parteien zu kommen, um so seine Wiederwahl zu sichern.

Aber auch in Dombühl herrscht offenbar Verwirrung um den Rathaus-Chef. Bei einer Theatervorstellung wurde der aktuelle Amtsinhaber als Bürgermeister Auer begrüßt. Jürgen Geier hatte schon befürchtet «wie sein Vorgänger nach Schillingsfürst auf den Campingplatz ziehen» zu müssen. Während man in der Marktgemeinde immer weiter vorankomme, so Christoph Maul, plant Bürgermeister Michael Trzybinski Schillingsfürst in eine «Event-Stadt» zu verwandeln.

Er attestierte dem Stadtoberhaupt deshalb eine Schwäche in Sachen Zukunftsthemen. Dies sei deshalb so schlimm, weil die Opposition ebenfalls schwach sei und die Vorlagen des Bürgermeisters für sich nicht zu nutzen weiß. Aber, so sein Resümee, «in Franker gehen die Uhren eh anders» – egal ob Winter- oder Sommerzeit. Und schon ist er beim nächsten Aufreger. Denn manche meinen, ist der Fastenprediger überzeugt, wenn dauerhaft Sommerzeit ist «dann ist auch immer Sommer».

Wenn man es aber nicht einmal schafft zweimal im Jahr die Uhr umzustellen, so Christoph Maul, dann ist es kein Wunder, dass andere Projekte von vornherein zum Scheitern verurteil sind. Wie etwa der Bau eines Flugzeugträgers durch die Bundeswehr – denn dabei müssen ja immerhin die Anforderungen für einen Flughafen und ein Boot (Stichwort: Gorch Fock) unter einen Hut gebracht werden.

Aber Christoph Maul kann nicht nur kritisieren, sondern hat auch Lösungsvorschlägen parat. So solle man doch die Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen gemäß ihres Namens reihum an die anderen Länder der Welt für ein paar Wochen ausleihen. Dann hätten wir was Kriege betrifft «in Deutschland für 20 Jahre Ruhe» und müssten uns nicht mehr um die Wehrfähigkeit Sorgen machen. Wobei der größte Feind in Bayern derzeit ja sowieso der Wolf sei.

Ein Dorn im Auge sind vielen derzeit die Klima-Proteste der Schüler, weil dadurch Unterricht entfalle. Dass 99 Prozent des Unterrichtsausfalls jedoch durch Lehrermangel verursacht werde, «da macht keiner was dagegen», klagt Christoph Maul. Man sollte jedoch den Jugendlichen auch einmal sagen, findet er, dass «man Strecken unter zwei Kilometer früher zu Fuß ging und nicht im SUV von Mama gefahren wurde» oder, «was ein neues Smartphone mit den Ressourcen der Erde und dem Klima macht».

Ein größeres Bewusstsein für Ursache und Wirkung wünscht er sich auch beim Thema Ökologie und Landwirtschaft, gerade nach dem Volksbegehren in Sachen Artenvielfalt. Es läuft einfach etwas falsch, wenn man im Supermarkt einen Achterpack Würste für 99 Cent kauft, um diese dann im komplett zugepflasterten Garten auf dem 999 Euro Weber-Grill zuzubereiten. Verbraucher müssten «endlich den Wert guter Lebensmittel zu schätzen wissen», fordert er.

Das neue Tierwohl-Label bietet seiner Ansicht nach nicht die erhoffte Orientierung. Am ehrlichsten, so seine Überzeugung, wäre es «mit Bildern der Lebensbedingungen auf den Packungen zu werben», wie es im Stall aussieht, was die Tiere zu fressen bekommen, welche Medikamente ihnen verabreicht werden und wie weit der Transport zu den Schlachthöfen sei. «Da wäre es mit dem Kilo Hackfleisch für drei Euro ganz schnell rum.»

Zum Schluss seiner Fastenpredigt redete Christoph Maul den anwesenden Politikern ins Gewissen. Sie seien doch einmal in die Politik gegangen, um etwas zu verändern und zu bewegen. Daran sollen sie sich auch heute noch erinnern und entsprechend handeln. Denn: «Ideen sind in der Politik nicht alles, aber ohne Ideen ist alles nichts.»

Dass es dem Schillingsfürster Stadtoberhaupt an Ideen mangeln würde, kann nun wirklich keiner behaupten. Dies zeigte auch das Ensemble des Theaterstücks auf brilliante Weise. Der neueste Coup von Michael Trzybinski (gespielt von Werner Rauch): Nach dem großen Erfolg des Mittelaltermarktes im letzten Jahr möchte er die Schloss-Stadt auch an den restlichen Tagen «ins Mittelalter zurückführen».

Um dieses Alleinstellungsmerkmal möglichst authentisch rüberzubringen legt er sich erst einmal den Titel «Landvogt» zu. Seine beiden Mitarbeiterinnen Petra Ehrmann (Regina Rothenberger) und Martina Hofacker (Regina Meder) sind von dem Ganzen weniger begeistert, müssen sie doch nun im Büro des Chefs Weidenkörbe im Akkord flechten, die anstatt der Gelben Säcke ausgeteilt werden.

Den Stadtarbeitern Walter Siller (Markus Löschel) und Alfred Seiler (Gerald Bär) werden zu ihrem Missfallen die motorisierten Fortbewegungsmittel weggenommen. Durch die Schloss-Stadt müssen sie sich nun hoch zu Ross bewegen – mit zwei «Steckelesgeil», die die «CSU-Stadträte Haack und Knoll in der letzten Klausurtagung in ihrer stillen Zeit gebastelt haben».

Immerhin kann sich Michael Trzybinski bei seinem Vorhaben hundertprozentig auf seine beiden Getreuen, Zweiter Bürgermeister Herbert Seidel und Freie-Wähler-Fraktionsvorsitzender Hartmut Gröner, verlassen. Ersterer lässt sich mit dem Titel «Büttel von Schillingsfürst und Frankenheim» ködern während Letzterer zum «Ritter Hartmut von der Wörnitzquelle» ernannt wird.

Aber auch mit Dekan Hans-Peter Kunert (Andreas Meder) plant der «Landvogt» eine ertragreiche Partnerschaft. Nicht nur dass ihm der Geistliche direkt aus dem Vatikan eine SMS, also eine «Schnelle Melde-Schwalbe» mitbringt. Im katholischen Gemeindehaus soll zudem eine kardiologische Station aufgemacht werden, wo es doch «schon bald im Spittel und in Ansbach keine mehr gibt».

Das Geld dafür soll mit Ablassbriefen eingenommen werden. Und prompt wird auch schon der erste Interessent im «Landvogt»-Vorzimmer vorstellig: ANregiomed-Vorstand Dr. Gerhard Sontheimer (Matthias Bär), der «wacker viele Ablassbriefe» braucht – für sich und seine beiden Vorgänger gleich mit.

In der Festausschuss-Sitzung für den Mittelaltermarkt kommen schließlich alle Beteiligten zusammen und tauschen sich über ihre Ideen aus. Stadtrat Petar Tanevski (gespielt von sich selbst) achtet darauf, dass diese auch ja nichts kosten. Zudem forderte Fürst Constantin zu Hohenlohe-Schillingsfürst (Ralf Albig), dass die Anlagen am Kardinalsgarten «strikt zu schonen» seien.

Landrat Dr. Jürgen Ludwig (Mathias Neigenfind) wird die Schirmherrschaft übertragen. Zudem lässt er sich dazu breitschlagen, auch als Feuerschlucker aufzutreten, um bei der nächsten Wahl endlich mehr Stimmen aus der Schloss-Stadt zu bekommen – allerdings nur unter einer Bedingung: Der Rettungshubschrauber Christoph 65 müsse mit laufenden Rotorblättern auf dem Sportplatz stehen, um ihm im Notfall «sofort ins Krankenhaus nach Neuendettelsau oder Schwäbisch Hall zu fliegen und bloß nicht in ein Krankenhaus von ANregiomed».

Als weitere Attraktion hatte sich Stadtrat Dieter Gottschling (Martin Rohn) bereits ins Spiel gebracht. Als passionierter Barfußläufer traue er sich auch zu, über glühende Kohlen zu gehen. Abgelehnt wurde jedoch die Anfrage aus Leutershausen, ob man auch Steinigungen durchführe – man hätte da wohl eine Probandin dafür im Auge gehabt.

Letztlich waren alle Überlegungen umsonst – denn Donner, Regen und Blitz machten ihnen einen Strich durch die Rechnung, so dass der «Landvogt» in einem Schlauchboot klagend rief: «Wir hätten doch Wasserspiele machen sollen!»

Alles andere als ein Reinfall waren die drei «Derblecken»-Vorstellungen. Neben den Darstellern auf der Bühne trugen auch Mario Bromberger, Julius Löschel, Jan Wagner und Anton Mzik in Sachen Licht und Tontechnik zum Gelingen bei. Edeltraud Watzke und Sabine Löschel setzten die Darsteller mit der richtigen Schminke in Szene. Stefan Leiblein und ihr Team sorgten für das leibliche Wohl der Zuschauer.

Die eingenommenen Spenden fließen heuer an die Jugendabteilungen von Feuerwehr, VfB und TSV sowie an die Vereine «Hand in Hand» und «Amélie».  mes

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