Im Weißwursthimmel
Kulturkritik: Feinstes Volkstheater zum Thema Rassismus
ROTHENBURG – Einhelliger Jubel, rauschender Beifall: Das Gastspiel des Landestheaters Dinkelsbühl im voll besetzten Städtischen Musiksaal traf genau ins Schwarze, um im Kontext des Komödien-Titels zu bleiben. „Wer hat Angst vorm weißen Mann“ als Bühnenfassung des Drehbuchs von Dominique Lorenz führt mit volkskomödiantischem Augenzwinkern vor, wie sinnfrei eine bewertende Betrachtungsweise der zwei so genannten „unbunten“ Hautfarben schwarz und weiß ist.
So richtig bunt hingegen sind die Inszenierung und die Simultanbühne von Jürg Schlachter. Souverän geführt begeistert die Regie in ihrem straffen Spieltempo zusammen mit der urkomischen Pingeligkeit in Details der Ausstattung (Jürgen Zinner). Allein die ikebanahafte Akribie, mit der eine Imbisstheke bei offenem Vorhang in der Pause mit allerlei Kunstfloralem „ausgarniert“ wurde, wäre eine eigene Show. Perfekt ergänzt wurde der Bühnenzauber durch die farbenprächtig wie zeitgeistig humorvoll unterfütterte Kostümauswahl von Ursula Blüml. Ein Hingucker: das Bühnenfenster im Hintergrund, auf dem im geschlossenen Zustand ein zartrosa Schweinchen sich auf einer Blümchenwiese seines Lebens freut – noch. Denn es hängt ja nicht in einer Gärtnerei, sondern in der „Fleischerei Maisacher“.
Dort ist alles im Chaos, im Erbrechtsstreit der Geschwister nach dem plötzlichen Tod des väterlichen Betriebschefs, Franz Maisacher, der allerdings als Geist weiterrumpelt und kommandiert. Wer könnte den beilscharf rassistischen Hausherrn und genialen Weißwurst-Hersteller besser spielen als Knut Fleischmann? Nein, nicht nomen est omen in diesem Fall, sondern schauspielerisch kann er das einfach hinreißend, mit kindlich weichem Gesichtsausdruck samt Kulleraugen den satten Heavy-Metal bayerischer Grantlerkunst zu performen, um im nächs-ten Moment zu rühren mit seiner fast religiösen Inbrunst im Beschwören von Zitronenmelisse und Muskat für seine Weißwurst.
„A Neger? Hams dir ins Hirn gschissn?“, raunzt er seine zart verhärmte, da als Arbeitskraft ausgenutzte Tochter Zita (Nina Schmieder) noch kurz vor seinem Tode an. Diese hatte sich nämlich Alpha Itenge (Pascal Averibou), einen Asylbewerber aus dem Kongo, als Hilfe bei der Weißwurstherstellung geholt. Das geht zunächst schief, die Wurst schmeckt nicht. Die Krux: Nur dieser beschimpfte „Maximalpigmentierte“ kann Franz Maisacher als Geist sehen und seine Geheimrezeptur hören. So aneinandergekettet entwickelt sich Toleranz bis zur Anerkennung des anderen. Alles fügt sich letztlich freundlich in der Volkskomödie, der Kongolese ist schlussendlich integriert durch Heirat mit der Metzgerstochter. „Senf & Tamarinde“ heißt ihr gemeinsamer Imbiss, ein lustiges Bild für das Miteinander verschiedener Kulturen.
Rund um das Trio begeistern Laura Mahrla und Maximilian Westphal als erbschleicherischer Bruder mit Frau, Margarit Ziellenbach und Andreas Peteratzinger unterhalten humorvoll glanzlichternd in Mehrfachrollen. Sehenswert! bhi
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