Alles online unter Kontrolle

Fachliche Handels-Impulse im Rothenburger Hochschul-Campus zu Firmen-Strategie

ROTHENBURG – George Orwells 1949 erschienene Utopie „1984” ist lange überholt, die Wirklichkeit heute viel schlimmer, wenn es um den „gläsernen Menschen” geht. Vor allem um den überwachten Kunden und dessen erfolgreiche Vermarktung auf allen nur denkbaren digitalen Online-Kanälen ging es in einem öffentlichen Fachvortrag des Rothenburg-Campus, der etliche Geschäftsleute angelockt hatte.

Prof. Dr. Carolin Durst bei der Begrüßung im Hörsaal des Campus, ehemals Luitpoldschule. Fotos: diba

Referentin Stefanie Eckart aus Nürnberg wusste, wovon sie sprach, steckt sie doch als „Senior Corporate Marketing Manager“ beim Digitalisierungsspezialisten „Implexis” (Untertitel „Winning Solutions”) mitten drin in der Materie. Und zu Beginn konnte die Diplom-Journalistin gleich verkünden, dass dies ihr letzter reiner implexis-Vortrag ist, denn die GmbH gehört ab jetzt zu Hitachi Solutions, ein „Global Player” aus Tokio mit über 88 Milliarden Dollar Konzern-Umsatz bei Branchen von Information  und Telekommunikation über Baumaschinen bis zum Gesundheitswesen. Die Übernahme
der 250 Mitarbeiter zählenden deutschen Implexis GmbH ist Teil
der strategischen Expansion der Japaner. So wird wieder einmal ein deutsches Unternehmen von führenden internationalen Großkonzernen geschluckt. Beide seien darüber „hocherfreut und zeigten eine hohe Performance” heißt es dazu in einer Presse-Info.
Soweit das deshalb interessante Hintergrundwissen, weil es gleichzeitig ein Musterbeispiel ist für die schneller fortschreitende weltweite Vernetzung in der digitalen Welt des Internets und der zum Dreh- und Angelpunkt gewordenen Smartphones, die den Endverbraucher schon rund um die Uhr begleiten. Professorin Dr. Carolin Durst von der Fachhochschule Ansbach (Interkulturelles Management) begrüßte im gefüllten Hörsaal der ehemaligen Luitpoldschule, wo sich neben den Studierenden etliche Geschäftsleute eingefunden hatten. Sie betonte die Offenheit des Campus Rothenburg und der Hochschule wie sie sich in mehreren öffentlichen Vorträgen zeige.
Um „Omnichannel Marketing in der Handelsbranche” ging es im Fachvortrag, den Stefanie Eckart sinnvollerweise auf praktische Beispiele von Kundenwerbung und Kundenbindung sowie unternehmerischer Strategien beschränkte und dies auch verständlich anbrachte. Auf deutsch ist die Vermarktung auf allen nur denkbaren digitalen Kanälen (im Internet, über Facebook, Youtube,  Instagram, Twitter sowie elektronische Bezahlsysteme etc.) gemeint. Das Ganze eingebettet in ein umfassendes Konzept, das – und hier wird es für regionale Händler interessant – eine geschickte Kombination von persönlichem Einkaufserlebnis im Laden und Online-Erfahrung bedeutet. Im Internet sucht man sich vielleicht was aus, holt den Artikel dann im Laden am Ort ab und wird gleichzeitig in allen Varianten über Mail und soziale Netzkontakte als Kunde betreut. Das Ziel ist dabei immer klar: die möglichst langfristige Bindung an Marke und Unternehmen.
Stefanie Eckart zeigte vor allem anhand einer neuen Marketingausrichtung von „Jack Wolfskin” was darunter zu verstehen ist. Eine Frage lautet „Wo kann ich den Kunden abholen?” Der Einkauf im Online-Shop und jede Registrierung ruft die Datensammler auf den Plan, um ein möglichst genaues Kundenprofil zu erstellen. Heutige Systeme ermöglichen es beim Rundgang im Laden die Kundenblicke auf die Ware zu registrieren und erlauben Bezahlen ohne die Karte einzuscannen – natürlich wird alles anonymisiert, beruhigt die Referentin, aber spricht doch von „mehr Personalisierung als uns lieb ist”.

Wie generiert und bindet man Kunden – Stefanie Eckart weiß es

Wie von Zauberhand

Schon der normale Internetnutzer wundert sich, dass er wie von Zauberhand genau die Warenangebote auf den Bildschirm bekommt, die ihn aktuell interessieren. Datenhandel ist ein einträgliches Geschäft. Dank rückkanalfähiger und sprachgesteuerter Fernseher heißt es aufzupassen, ob nicht unerwünschte Einblicke ins Wohnzimmer erfolgen. Die hilfreichen Geister Siri oder Alexa erfahren zwangsläufig einiges über ihre Nutzer. Andererseits breiten Millionen Menschen  in sozialen Netzwerken ihr Privatleben mit Kind und Kegel für die Öffentlichkeit  freiwillig aus!
Im Campus-Vortrag aber gab Stefanie Eckart verwertbare Hinweise wie man Handel- und Onlinehandel erfolgreich nutzen kann und sensibilisierte für das Thema, an dem kein Händler vorbeikommt. Schon jetzt ist das Online-Geschäft auch für manch Rothenburger Händler (Industrie und Handel sowieso) wichtiges Standbein, in der Hotellerie ist man auf Internetbuchungen angewiesen.
Ein aufschlußreiches Video verdeutlichte das Gesagte und Folien erläuterten auf Leinwand was gemeint ist: visualisiert erklärt rübergebracht von der Referentin, denn im Omni­channel-Kauderwelsch ist da von „Word of mouth” (mündliche Verständigung) oder „Brick and mortar store” die Rede, womit das klassische Ladengeschäft gemeint ist. Strategie und Technologie im modernen Handelsunternehmen, das online wie vor Ort ein überzeugendes Einkaufserlebnis bieten sollte, sind überlebenswichtig, verdeutlichte Eckart.
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis für kleinere Betriebe: das Einkaufserlebnis im Laden ist nicht ganz überflüssig, es könnte im günstigsten Falle zu neuer Blüte kommen, wenn die Gesamtstrategie passt. Auch die mündliche Beratung übers Netz kommt in Mode, im Laden holt der Kunde die Ware ab, wird ergänzend beraten beziehungsweise schon beim Eintritt dank Vernetzung individuell erkannt und gezielt betreut.
Oder wie bei einem Hörgeräte-Kunden, den Stefanie Eckart als weiteres Beispiel heranzog; landesweit läuft eine Werbekampagne auf allen Kanälen, aber vernetzt mit 600 örtlichen Fachgeschäften, die dann vor Ort Partner sein können. Ähnliches erfährt man im Gespräch von einem renommierten örtlichen Optik- und Akustik-Händler, der sich einer ähnlichen Strategie bedient.
Der Campus Rothenburg als weitgehend offene Einrichtung stellt eine große Bereicherung für die Bildungs- und Schulstadt Rothenburg dar. Mit Ritam Garg wird ab März auch der neue Stiftungs-Professor für International Management am hiesigen Campus unterrichten. diba

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