Auf den Hund gekommen

Rothenburger Stadtgeschichte in künstlerischer Arbeit verewigt

ROTHENBURG – Das Plönlein mit dem Brunnen gehört zu den beliebtesten Motiven für Fotografen und Maler. Einst zierte ein großer Stoffhund die Brunnensäule, um die Stadt mit diesem Schabernack zum Handeln zu bewegen. Mit Erfolg.

Karl Thürauf zeigt den Unglücks-Prellstein. Fotos: Schäfer

Es handelt sich um eine wahre Geschichte, die sich kurz nach Kriegsende abspielte, während „die Besatzung herrschte“. Es war Mai 1945. In den Abendstunden fuhr ein „Ami“ im Jeep vom Marktplatz die Schmiedgasse hinunter – und die Schlangenlinien waren nicht zu übersehen. Am Plönlein, wo die Straße enger wird, „bretterte“ der Wagen über den Prellstein am Brunnen und krachte in das guss­eiserne Absperrgitter, das seinerzeit spöttisch dem „Gelsenkirchener Barock“ zugeschrieben wurde. Durch den heftigen Aufprall wurde die Brunnenabsperrung in viele Teile zerlegt.

Von der heftigen Karambolage hatte man in der benachbarten „Glocke“ nichts mitbekommen. Die Wirtsstube befand sich damals noch im Erdgeschoss. Es gehörte zur Gewohnheit, dass abends die Fensterläden geschlossen wurden, um wegen des Gesprächslärms keine Ruhestörung zu verursachen. Erst als plötzlich die Tür aufgerissen und laut gebrüllt wurde: „Draußen ist etwas passiert“, wurde man des Unfalls gewahr. Der „Ami“ lag blutüberströmt auf der Straße und wurde ins Militärlazarett nach Mergentheim gebracht.

Fast zwei Jahre stand der Brunnen ohne Absperrgitter da, weshalb der sonst wassergefüllte Steintrog nicht eingelassen wurde. Das ramponierte Ensemble sorgte für unerschöpflichen Gesprächsstoff – auch am „Glocke“-Stammtisch, wo allabendlich die Nachbarschaft und hin und wieder auch der damalige Landrat an Feierabend zusammenkamen. Es gab lediglich Dünnbier zu trinken in der Nachkriegszeit und die Verpflegung war kaum besser.

Der Kunstmaler Eduard Hintze, Nachbar und Freund der Familie Thür­auf, kam in geselliger Runde auf die Idee, „ein ausgestopftes Viech“ auf die Brunnensäule zu setzen. Karl Thürauf, damals ein junger Bursche, kramte auf Geheiß des Künstlers seinen Spielhund aus der letzten Ecke hervor, den er als Bub geschenkt bekommen hatte. Das Schmusetier in der Größe einer Bulldogge wurde mit Draht und Nägeln auf dem Podest der Brunnensäule befestigt. Der „rasende Reporter“ in der Stadt bekam einen Tipp und machte den nächtlichen Schabernack publik. Das Gelächter war groß.

Künstlerisch verewigt: die Hundesäule.

Die Stadt fühlte sich provoziert. Der Hund auf der Säule wurde schleunigst beseitigt und ward nicht mehr gesehen. Es dauerte noch eine gewisse Zeit, aber es kam Bewegung in die Sache. Ein Freund Rothenburgs, der Eisengießer Hofmann aus Bad Windsheim spendierte der Stadt das Material und der Kunstschlosser Willi Krauß aus dem Alten Keller hat es in seiner Werkstatt geschmiedet. Da ist sich Karl Thürauf zu „99 Prozent sicher“.

Die Plönlein-Hunde-Story wurde in Kanada künstlerisch umgesetzt. Von Dr. Konrad Lindemann, Lebensgefährte und späterer Ehemann der Rothenburger Mundart-Dichterin Mathilde Lindemann-Hintze, genannt „He“. Sie war die Schwester von Eduard Hintze und hatte deshalb auch trotz der großen räumlichen Entfernung während ihrer Jahre in Nordamerika stets eine enge Verbindung mit ihrer Heimatstadt.

Dr. Konrad Lindemann, auch kurz „Koni“ oder „Prof. Blinkdahl“ genannt in Anspielung auf das Blinktal, malte die Episode aus dem Gedächtnis, die damit für die Nachwelt verewigt wurde auf gepressten Seiten zwischen zwei Buchdeckeln. Bei seiner Szenerie stand der Hund auf der Brunnensäule schon im neuen Gitter, um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Das Sonderheft Plönlein mit den städtegeschichtlichen Studien von „He“ und „Koni“, bekam Albert Thürauf, der Vater des heutigen „Glocke“-Seniorchefs Karl Thürauf, im Februar 1966 zum Geburtstag geschenkt. Das künstlerische Werk mit den einmaligen Bildern und den passenden Geschichten dazu („Der Ploilesbrunne, wie bekannt, der hat en Treff, diese Schand….“) wird in der Tradition der Familie Thürauf gehütet wie ein Schatz, als schöne Erinnerung an die gemeinsame Zeit. sis

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