Divenzauberklang

Chansons von Piaf, Knef und Dietrich im Toppler Theater

ROTHENBURG – Schön, wie zum jubelnden Gehupe der Fans, die auf dem Marktplatz Frankreichs Fußball-WM-Sieg feierten, auf der Freilichtbühne Edith Piafs kraftvolle Chansons quasi synchron erklangen. Dazu jubilierten die Singvögel im Nachbarsgarten so innig, als sei das Ganze nicht zufällig, sondern als Dreiklang von Natur, Kunst und Vergnügen inszeniert.

Sensibel gefühlvolle wie eigenständige Interpretin: Atischah Hannah Braun Foto: Hirschberg

Dabei beginnt der Bühnenabend durchaus irritierend: Eine streng blickende Dame im Herrenanzug stürmt auf die Bretter, gibt lautstark ihren Unmut kund über das störende Bühnenbild, das sogar vertraglich sie doch gebeten hätte zu entfernen.  Schließlich gehe es um Erns­tes, um ein Casting, durch das die passende Sängerin mit dem idealen  Lied als Geburtstagsständchen für den Intendanten des Theaters gefunden werden solle. Marlene Dietrich, Hildegard Knef und Edith Piaf seien geladen, ihre Tauglichkeit für dergleichen zu beweisen. Kaum geendet die zürnende Tirade, geht erneut die Tür auf, und mit südländischem Temperament erspringt gleichsam sprü­hend vor Energie eine schöne, dunkelhaarige Frau die Bühne und singt, nein, schmettert dem verdatterten Publikum entgegen, sie sei die „fesche Lola“. Nun, kein Zweifel, der Name passt.

Ein wunderbar funktionierender Kunstgriff der beiden Bühnenkünstlerinnen ist dieser verblüffende Einstieg in einen Chansonabend mit spritzig-witzig fundiert gestalteten Moderationen zu den Biographien der drei unvergesslichen Leinwand- und Musik-Ikonen. Alsbald ist klar, dass es nicht um den unberührbaren Glanz der Legenden geht, sondern darum, dass Starglanz nur entsteht durch ständiges Polieren und Schleifen. Das Publikum genießt die Überlebensstrategien der drei Soulsis­ters, die sich auch im wirklichen Leben kannten, sogar unterstützten und durchaus liebevoll schätzten.
Atischah Hannah Braun deutet in kluger Beschränkung stimmliche  Ähnlichkeiten nur an. Ein Hauch von Piafs inbrünstigem Timbre hier, eine Prise von Knefs lakonisch-ironischem  Sprechgesang da, feine Tupfer hochmütig-melancholischer Distanziertheit der Dietrich verweisen auf die Originale, die ihre „Hits“ so geprägt haben, dass sie von ihren Interpretinnen eigentlich kaum zu trennen sind. „Für mich soll’s rote Rosen regnen“ oder „Non, je ne regrette rien“, „Lili Marleen“ oder das anrührende Nachsinnen in „Wenn ich mir was wünschen dürfte“ – die versierte Vokalistin bleibt stets sie selbst mit unaufdringlichen Verbeugungen vor den Idolen.
Perfekt trägt das undramatische Pianospiel von Ulrike Koch die Lieder sicher und behutsam, gibt gleichsam die Bühne frei für die Sängerin, die mit ausdrucksstarker Mimik und Gestik ihre drei Figuren eigentlich nur durch den Wechsel der drei unspektakulären Kleider kenntlich macht. Das genügt auch völlig, denn die Lieder sind so stark interpretiert, dass es mehr nicht braucht. Der jubelnde Applaus für das Programm „Von Reue, Mot­ten und roten Rosen“ mit Ulrike Koch (Piano) und Atischeh Hannah Braun (Gesang) wurde von den Künstlerinnen mit einer Zugabe belohnt.
Wer das Gastspiel versäumt hat: am 27. Juli wird es wiederholt. bhi

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