Das Wesen des Daseins

Lebensganzheit und Wesensoffenheit des Menschen – Die Wirkung von Kunst

WEIKERSHEIM – Dem Menschenbild Gestalt zu verleihen, gelingt der Bildhauerin Nina Koch auf einfühlsame Art und Weise. Als quellende oder dem Schicksal die Stirn bietende Figur, durch Bewegung charakterisiert, in starren Gefügen verfestigt, aufgerichtet, in geschlossener Silhouette oder im Sinnesglück.

In der Kunst ist die Nacktheit nicht wegzudenken: Dieses Paar zeigt auf schöne Weise die sinnliche Seite von Liebe. Fotos: Schäfer

Die Skulpturenschau in der Innenstadt macht Weikersheim um ein Ereignis im Sommer reicher. Seit elf Jahren können Bürger sich quasi „en passent“ mit den unterschiedlichsten Audrucksformen der figurativen Bildhauerei vertraut machen. Kunstinteressierte müssen dafür oft reisen: nach Schwäbisch Hall, München, Berlin oder eben nach Weikersheim.

Die Hürden solcher Freiluft-Ausstellungen bilden Versicherungen, die das Risiko des Vandalismus oder Diebstahl befürchten. Die Suche nach Sponsoren, denn ohne Geld geht es nicht. Bauhof-Mitarbeiter zögern wegen der hohen Verantwortung im Umgang mit Kunstwerken oder fürchten die Spezie „Künstler“. Bürger mäkeln, weil sie in ihrem Stadtbild plötzlich Ungewohntes erleben: fehlende Parkplätze, verengte Einfahrten, verrückte Blumenkübel. Alles, weil sich die Kunst ihnen in den Weg stellt.

Das engagierte Kulturmanagement der Stadt Weikersheim ignorierte die Unkenrufe und war umso mehr von der Bedeutsamkeit des Vorhabens überzeugt, neben Galerien und Museen den öffentlichen Raum zu bespielen. Namhafte Künstler hat man damit in die Region gelockt und ani­miert, einen Teil ihres Lebenswerks auf die Straße zu bringen und der Allgemeinheit zugänglich zu machen. Die Skulpturenschau hat sich fest etabliert und über die Region hinaus einen Namen gemacht.

Siebzehn große Bonzeskulpturen sind im Stadtbild plaziert und ein Relief an der Stadtmauer, das die Liebe in der Figur „Liebespaar“ sichtbar macht und als „Schwebendes Liebespaar“ im Küchengarten des Schlosses. In den Plastiken von Nina Koch, die in der figurlichen Tradition der „Berliner Bildhauerschule“ steht, sind viele unterschiedliche menschliche Em­pfindungen abgebildet wie Trauer, Zweifel, Glaube, Hoffnung und Liebe. Die schönen Seiten des Lebens, aber auch die Schattenseiten wie Brüche, Zweifel, das Ringen um Balance.

Bildhauerin Nina Koch und ihre „Michaela“ mit hängenden Schultern.

Die Figuren, die Nina Koch hinsetzt oder dem Betrachter vorsetzt, wirken immer auch ausgesetzt. Und zwar durch subtil eingesetzte künstlerische Mittel. Die Figur ist nicht nur gegenwärtiger Körper, sondern jede Figur hat eine Geschichte. Diese kristalisieren sich und prägen sich aus in bleibenden Gegensätzen, in inneren Spannungen, in Charakterspaltungen, die sich in Bewegungen ausdrücken: in Ruhe verharrend, in Unrast sein, ein erspürendes Körpergefühl, gedämpft, gebrochen, zurückgenommen.

Eine kleine Wendung, Drehung und Neigung des Kopfes nehmen der Figur alles Herrschaftliche, alle Un­terwerfung heischende Pose. Die Figuren sind nicht ohne einen inneren Schatten. Kunst vermag zu berühren, wenn sie dieses erspürende Körpergefühl anzuregen vermag. Körper bereitet nicht nur Sinnesglück, im Körper werden wir sichtbar und gleichermaßen angreifbar. Zusätzlich zur Kunst unter freiem Himmel sind noch Kleinplastiken und Zeichnungen von Nina Koch im Rathaus zu sehen.

Gelegenheit zum Kunstspaziergang durch Weikersheim bietet sich den ganzen Sommer über bis zum 23. September. Am Tauberufer entsteht das hochmoderne Konzert- und Veranstaltungshaus mit 650 Plätzen und edler Akustik. In rund einem Jahr soll die Eröffnung gefeiert werden. Dann geht die Tauberphilharmonie in Betrieb. Das neue Konzerthaus besteht aus zwei wie ineinandergeschoben wirkenden kubischen Bauteilen. Das Gebäude verfügt über zwei Geschosse und steht mit Sichtachse zum Schloss und zur Stadtkirche.

Hauptnutzerin wird die Musikakademie Weikersheim sein, die von der Jeunesses Musicales Deutschland betrieben wird, welche jedes Jahr etwa 9000 junge Menschen nach Weikersheim bringt. Der Intendant der Tauberphilharmonie, Johannes Mnich, hat bereits seine Arbeit aufgenommen. Er war vorher Projektleiter für das Musikfestival „Heidelberger Frühling“. Nach der Stadt Weikersheim als Bauherrin ist der Bund mit vier Millionen Euro der größte Förderer des 13-Millionen-Projekes. sis

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