Kristallklare Virtuosität

Hörgenuss beim Orgelkonzert im Rahmen des Liszt-Festivals

SCHILLINGSFÜRST – Das neue Schillingsfürster Liszt-Festival hat die ursprüngliche Liszt-Akademie weit geöffnet. Aufgebrochen wird die bisher charakteristische Einheit aus Zeit, Ort und Instrument. Weit haben sich die Organisatoren vom „Kulturförderverein Schloss Schillingsfürst“ gestreckt, ohne den Qualitätsanspruch zu dehnen. Es entstanden neue Rituale und Glanzpunkte.

Organist Michael Schöch. Foto: U. Grüber

Dazu gehört auch das Orgelkonzert, welches bereits zum zweiten Mal am Vorabend des Meisterkurses in der evangelischen Kirche Sankt Kilian stattfand, an einer Koch-Orgel aus den 1970er Jahren. Der 1985 in Innsbruck geborene Organist Michael Schöch bewies ein ums andere Mal, wie ein Meister des Orgelfachs geschickt die Grenzen des Instruments und die Möglichkeiten des Raumes  zu nutzen weiß. Er nahm die Zuhörer durch eine kurze Einführung der Stücke mit hinein in deren Entstehungsgeschichte und die Gründe, warum er sie für das Konzert ausgewählt hat.

Zum Auftakt spielte er die Sonate Nr. 2 in c-moll op 65/2 von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Hier entführte Schöch die Zuhörer durch geschickte Registrierung und Nutzung der beiden Manuale aus der Kirche in einen imaginären Kammermusiksaal. Im zweiten Satz (Adagio) hörte man ein singendes Soloinstrument mit Kontinuo-Begleitung, während die abschließende Fuge im Bachschen Stil als Trio daherkam.
Liebevolles Zwiegespräch
Folgerichtig schloss Schöch die beliebte Triosonate Nr. 5 C-Dur BWV 529 von Johann Sebastian Bach an. Wieder fächerte er das Spiel auf in 3 Stimmen: Sopran, Alt und Bass. Im 2. Satz entwickelte sich ein liebevolles Zwiegespräch zwischen den Oberstimmen. Im Schlusssatz, einem rasant vorgetragenen Allegro, verblüffte er seine Zuhörer durch kristallklare Virtuosität auf allen Klaviaturen.
Nur um im nächsten Programmpunkt eine davon gleich darauf wegzulassen. Präludium und Fuge d-moll BWV 539 ist nämlich ein Stück, das nur „manualiter“ gespielt wird, also ohne Pedal. Aus Michael Schöchs Einführung wussten die Zuhörer, dass hier Bach eine Solo-Sonate für Violine auf die Orgel transkribierte (2. Satz, Fuge, aus der Sonate I g-moll). Schöch arbeitete temperamentvoll heraus, wie Bach trotz des fehlenden Pedals eine mitreißende Vielstimmigkeit in diesem Stück anlegte.
Für die letzte Etappe vor dem Gipfel legte Michael Schöch die ersten vier Fugen aus dem Bach-Zyklus „Die Kunst der Fuge“ auf. Dabei wird ein Thema zweimal variiert und zweimal umgekehrt. Aus jedem dieser vier „contrapuncti“ machte er ein kleines Charakterstück, indem er mit Registrierung und Tempo spielte.
Nachdem die Zuhörer auf alle  kontrapunktischen Vorkommnisse von Bach über Brahms eingestimmt waren, zog Schöch einen dicken Schlussstrich. Sankt Kilian erbebte unter „Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H“ von Franz Liszt (S260). Mit allen zuvor laborhaft ausgebreiteten Tricks und bestechender Präzision entfachte Schöch ein Feuerwerk. Dr. Mario Pietsch, der dem Organisten bei der Registrierung assistierte, hatte alle Hände voll zu tun.
Als der letzte, wuchtige Akkord verhallt war, spendeten die Zuhörer reichlich Applaus. An die erlebten Ohrenfreuden konnte man mit Gaumenfreuden anschließen. In der Ludwig-Doerfler-Galerie wurde ein Buffet zum Thema  „Was Franz Liszt in Rom und Tivoli gerne aß und trank“ gereicht. ug

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*