Viele Gedanken gemacht
Jugend stärker für klassische Musik gewinnen – Möglichkeiten der aktiven Mitgestaltung
SCHILLINGSFÜRST – „Möglichkeiten, die Jugend an die klassische Musik im Allgemeinen und an Franz Liszt im Besonderen heranzuführen“, so lautete das Thema eines Symposiums, zu dem die örtliche Lisztakademie Referenten und Experten aus den Lisztorten Weimar, Bayreuth, Budapest und Raiding eingeladen hatte.

Hans Emmert (li) moderierte das Symposium im Rahmen des Liszt-Festivals. Foto: pr
Das Bild eines vergreisten Publikums in den Konzertsälen sei bekannt und es stelle sich die Frage, ob eines Tages die Konzertsäle leer sein werden, wenn man nicht mit gezielten Maßnahmen Jugend für Klassik interessiere. Mit dieser Frage eröffnete Hans Emmert, Zweiter Vorsitzender des Kulturfördervereins Schloss Schillingsfürst, das Symposium im Saal.
Ruth Reuter, ehemalige Leiterin des Gymnasiums Dinkelsbühl, ging der Frage nach, was tun die anderen, um Jugend an die klassische Musik heranzuführen. Aus ihrer unmittelbaren beruflichen Erfahrung heraus machte sie zwei Arten von Lehrern aus: einerseits diejenigen, die das Feld Rock, Pop, Rap etc großzügig abdecken und damit versuchten, die Jugend dort abzuholen, wo sie steht; andererseits gebe es auch noch diejenigen, die konsequent klassisch ausgerichtet seien.
Jugendarbeit gezielt fördern
Der Musikunterricht selbst könne sich, so Reuter weiter, nur schwer der gesellschaftlichen Tendenz, dass man „keine dicken Bretter mehr bohren will“, entziehen. Jedoch gelte nach wie vor, dass ohne persönlichen Einsatz und Begeisterung des Lehrers keine Impulsvermittlung hin zur Klassik stattfinde.
Die Aktivitäten der großen Konzerthäuser in Sachen Jugendförderung laufen überwiegend über die Schulen und dort über engagierte Lehrer. Darüber hinaus könne gesagt werden, dass Mädchen häufiger ein Instrument spielten und sich für klassische Musik interessierten als Jungen. Die meisten kulturellen Institutionen beauftragen professionelle Teams mit einer auf klassische Musik ausgerichteten Jugendarbeit. Hier werde die Musik, so Reuter, in packende Geschichten verpackt und so spielerisch vermittelt. Auch kind- beziehungsweise jugendgerechte Kurse, Projektarbeit und Museumsführungen gehörten zum Repertoire.
Häufig gehen aber auch die Musiker selbst in die Schulen hinein, um mit den Jugendlichen zu arbeiten. Auch gute Materialmappen und Fortbildungen für Lehrer zeigen Wege auf, um klassische Musik attraktiv zu machen, ebenso wie thematische Einführungen und Nachbesprechungen von gemeinsamen Opernbesuchen im Klassenverband. „Ohne Eltern und ohne Schule geht es nicht, die Kinder wieder für klassische Musik zu interessieren.“
Dr. Sven Friedrich, Chef der Wagnerfestspiele in Bayreuth, beklagte zwar eine zunehmende Überalterung des Publikums und stellte aber gleichzeitig fest, dass Hochkultur immer schon ein Phänomen der zweiten Lebenshälfte der Menschen gewesen sei aber auch ein Minderheitenphänomen. Darüber hinaus gebe es eine totale mediale Verfügbarkeit aller klassischen Musikstücke. Andererseits werde in Familien kaum mehr gesungen und musiziert, auch werde der Musikunterricht laufend gekürzt. In diesem Kontext könne man nachvollziehen, warum Jugendliche klassische Musik nicht mehr attraktiv fänden.
Eine kritische Analyse deutscher Schullehrpläne trug Prof. Albrecht von Massow von der Franz Liszt Hochschule Weimar vor. Er kritisierte das Zurücknehmen an Musiktheorie, denn Schüler würden damit nicht überfordert, sondern sie hätten sogar ein Interesse daran, weil dies zum besseren Verständnis der Musikstücke führe. Weiter bemängelte er eine oftmals unzureichende Ausbildung der Musikpädagogen und eine zu geringe Wochenstundenzahl des Faches, die in der Regel nur eine Stunde betrage. Auch müsse klassische Musik verbindlichen Vorrang vor den modernen und modischen Musikrichtungen haben, die keinen Zugang zur Seele ermöglichten.
Gut vorbereitete Konzertbesuche sollten in den Lehrplänen aller Schularten verbindlich vorgeschrieben werden, so die Forderung des Professors. Überlegungen eines lehrenden Künstlers betitelte Konzertpianist Florian Glemser aus Dinkelsbühl seinen Vortrag. Er ging zunächst auf die „neue Welt“ der digitalen Medien ein, in der sich jeder nach Belieben präsentieren und verwirklichen kann. Oft werde diese Plattform als Bühne der Zukunft bezeichnet, weil jeder der digitalen Öffentlichkeit sein Produkt anbieten kann.
Die „Schwarmintelligenz“ des Netzes werde sodann Gutes von Ungutem scheiden. Dieser Gedanke lasse, laut Glemser, außer Acht, dass die Ansicht der Masse nicht automatisch richtig sei. In der klassischen Musik bündle sich eine Art kulturgeschichtliche Wahrheit, die der nachschöpfende Künstler wieder mit neuem Leben füllt. Die dadurch ermöglichte geisteswissenschaftliche und kulturelle Bildung sei gerade in der heutigen politischen unsicheren Zeit notwendiger denn je.
Das „Klassik-Hautnah-Projekt“ der Stadt Dinkelsbühl stellte Musikpädagoge Sponsel vor. Ausgangspunkt sei, dass die meisten Kinder klassische Musik kaum oder nie im Konzert erleben und so der Funke einer packenden Live-Erfahrung nicht überspringen könne. Somit bleibe ihnen der Zugang zu dieser Musikwelt verwehrt. Das Projekt wolle den Kindern und Jugendlichen aus der Region einen zündenden Kontakt ermöglichen, und zwar im schulischen Klassenverband und damit unabhängig vom sozialen Hintergrund.
Es soll junge Menschen zum künstlerischen Tun ermutigen, indem sie die Chance zu einer aktiven Mitgestaltung eines Konzertes erhalten. Dies kann als Musiker in einem Projektorchester, das aus Profis und Nachwuchsmusikern besteht erfolgen, aber auch als Komponist, als Tänzer oder Choreograf oder als Moderator oder Sprecher.
David Spischak, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Lisztakademie Budapest zeigte auf, warum Liszt als Klavierlehrer begehrt und erfolgreich war. Er erteilte grundsätzlich Einzelunterricht, wodurch eine sehr persönliche Beziehung zwischen Lehrer und Schüler aufgebaut werden konnte. Er verlangte für seinen Unterricht auch kein Honorar. Liszt konnte seine Leidenschaft am Klavierspiel den Schülern in einzigartiger Weise vermitteln und seine Bemühungen zielten über das rein Instrumentale hinaus, indem er versuchte, die musikalisch-künstlerischen Inhalte zu vermitteln, um so auch bei den Schülern Leidenschaft für die Musik zu erzeugen.
Im Rahmen der Diskussion über die Referate wurde von den Vertretern der Lisztorte der Wille zu einer künftigen fruchtbaren Zusammenarbeit artikuliert. Die internationale Zusammenarbeit sei auch im Sinne Liszts, der sich immer als Europäer verstand. he
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