Denkmalpflege auf dem Prüfstand?

Unterschiedliche Standpunkte bei kommender Fluchttreppe am Gebäude Spitalhof 4

ROTHENBURG – „Sicherheit geht vor Denkmalschutz“, betont Stadtbaudirektor Michael Knappe und bezieht sich auf das Vorhaben am Gebäude „Seniorenwohnen“ Spitalhof 4. Dort müssen im Zuge von Brandschutzmaßnahmen Fluchttreppen angelegt werden. Den Bedenken von Stadtheimatpfleger Dr. Konrad Bedal zum Trotz ist die Entscheidung für eine außen liegende, offene Stahlkonstruktion gefallen.

Im Gebäudezwickel hinter der Mauer wird die Fluchttreppe errichtet. Foto: Weber

Für eine Fluchttreppe im Innern des Gebäudes hätten Zimmer aufgegeben werden müssen und die Lösung wäre teurer geworden, wäre auch verbunden gewesen mit entsprechenden Eingriffen in die Subs-tanz. So rechtfertigt der Stadtbaudirektor, in diesem Fall besser diese Kröte zu schlucken.

Für den Bereich der Altstadt gilt als unumstößliches selbstauferlegtes Gesetz, dass sich moderne Ein- und Anbauten verbieten, wenn sie von der Straße oder von der Stadtmauer her einsehbar sind. Dagegen muss die Stadt, wenn auch nur zu einem geringen Teil, hier selbst verstoßen.

Aus der Sicht des Bauamtes bestanden aus besagten Gründen lediglich zwei Möglichkeiten, die geforderte Fluchttreppe am Spitalhof 4 zu verwirklichen, in beiden Fällen als außen liegende Lösung.

Bei der einen wäre die Stahlkonstruktion hinter einer Verschalung aus Holzlamellen verschwunden, bei der anderen sollte sie als offene Stahlkonstruktion mit dunkelgrauem Anstrich in Erscheinung treten.

Pferdefuß: In beiden Fällen, so die Vorüberlegungen, würde die Höhe des Treppenturmes mit der Fensterunterkante der Dachgauben abschließen. Damit bliebe von der Stadtmauer aus und von der Spitaltor-Straßenseite aus etwas zu sehen, wenn auch nur der oberste Teil der Konstruktion. Unter dem Strich ein Verstoß gegen die eigenen Richtlinien.

Der Bauausschuss des Stadtrats hat sich in seiner jüngsten Sitzung dennoch klar für die Außenvariante der Fluchttreppe entschieden, und zwar in der Version der offenen Stahlkons-truktion. Er schloss sich bei seinem Beschluss der Ansicht des Bauamtes an, wonach sich eine anthrazit gestrichene feingliedere Stahltreppe deutlich imVergleich zur eingehausten Lösung zurücknimmt und sich besser ins Stadtbild fügt.

„Kein Präzedenzfall“

Ob sich die Stadt damit einen Präzedenzfall schaffe, müsse bezweifelt werden, da kein Objekt in der Altstadt vergleichbar sei und somit immer eine Entscheidung im Einzelfall zu treffen wäre, hatte das Bauamt in der Beschlussvorlage argumentiert.

Aus seiner Sicht sei keine der beiden Ausführungsvarianten der Außentreppe mit dem einmaligen Stadtdenkmal „Rothenburg“ vereinbar, das europaweit als herausragend gelten darf (auch wenn ihm das Attribut „Weltkulturerbe“ formal bisher nicht zuerkannt wurde), betont Stadt-heimatpfleger Dr. Konrad Bedal in einer Stellungnahme. Die Lage von Spitalhof 4 am Spitaltor und am Spital selbst gehöre zudem innerhalb Rothenburgs wiederum zu einem besonders dichten, mit herausragenden Bauten versehenen Altstadtbereich, der nur noch mit dem Marktplatz und der Herrngasse zu vergleichen sei.

Der vorgesehene „Treppenturm“ (egal ob ohne oder mit Verkleidung) zeige zur Straße und sei sowohl von dort wie auch vom Wehrgang am Spitaltor deutlich sichtbar. Er rage außerordentlich weit vor, bis nahe an die Hofmauer. Der Einstieg ins Dach sei bei der freien Ausführung besonders hässlich und bei der ummantelten Variante wirkt der Anbau doch sehr massiv und beherrschend – was seiner fiktiven Aufgabe, eine möglichst nie genutzte Fluchttreppe aufzunehmen, kaum entspreche.

Beim Gebäude Spitalhof 4 handle es sich um einen weitgehenden Neubau der Zeit um 1982, der aber immerhin in Raumkubatur und Proportionen dem damals abgebrochen-en, im Kern spätmittelalterlichen Bau weitgehend folge. Sogar Teile des Fachwerks an der Ostseite scheinen damals in den Neubau integriert worden zu sein. Der geplante voluminöse Treppenanbau störe diese durchaus als noch immer harmonisch zu bezeichnende Baugruppe massiv.

Da es sich beim Spitalhof 4 um einen Neubau handle, müsste doch auch eine Lösung innerhalb dieses Gebäudes möglich sein, selbst wenn damit ein gewisser Raumverlust verbunden ist.

Außerdem sehe er durchaus die Gefahr eines, zudem noch von der Stadt selbst veranlassten Präzedenzfalles. Sieht man allein die vielen Bauanfragen und Bauvorhaben der letzten Zeit in Rothenburg, die sich mit Fluchttreppen, Außentreppen, Fahrstühlen, Balkonen u. ä. befasst haben, so bestehe durchaus die Gefahr, dass hier weitere, verunstaltende Maßnahmen von der Verwaltung nicht mehr in den Griff zu bekommen sind.

Vielleicht wäre es an der Zeit, grundsätzlich die generellen Ziele der Stadtbildbewahrung und Erhaltung der historischen Bausubstanz Rothenburg neu zu fassen, über die Gestaltungssatzung hinaus, betont der Stadtheimatpfleger.

Das Landesamt für Denkmalpflege rät in seiner Stellungnahme zu der eingehausten Fluchttreppe. Fest stehe, dass es sich um eine voll einsehbare Situation in unmittelbarer Nachbarschaft zum malerischen Spitaltor handle. Es sei deshalb erst einmal wichtig, die Treppe möglichst unauffällig zu gestalten und am besten gar nicht in Erscheinung treten zu lassen, betont Gebietsreferent Tobias Lange.

Auch er legt der Stadt ans Herz, sie sei gut beraten, in diesem Fall eine Fluchttreppenlösung zu suchen, die bei den diversen Hotels (er erinnert dabei an den„Bären“) nicht in Bedrängnis bringe. -ww-

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