Hoffnung in Jugend setzen

Rothenburger Gymnasiasten spüren dem europäischen Gedanken nach

ROTHENBURG – Ältere Herren legten vor mehr als 60 Jahren den Grundstein, um der Jugend Europas eine Zukunftsperspektive zu geben. Nun liegt der Ball bei diesen Heranwachsenden, die Visionen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft beziehungsweise der Europäischen Union als ihrer Nachfolgerin mit Leben zu füllen und weiter zu entwickeln. 20 Rothenburger Gymnasiasten machten sich jüngst im Osten Frankreichs daran, dieser Aufgabe nachzukommen.

Kurzbesuch in Paris: Die Rothenburger Schüler und ihre Lehrerinnen vor der Basilika Sacré-Coeur. Fotos: privat

Zugegebenermaßen mag es ein wenig hochgegriffen klingen, dass ein neuntägiger Aufenthalt von insgesamt 60 jungen Menschen aus drei Ländern in einem europäischen Kulturzentrum der doch recht angeschlagenen Wirtschafts- und Wertegemeinschaft wieder auf die Beine verhelfen mag. Und doch wird im Gespräch mit den Rothenburger Teilnehmern mehr als deutlich, dass eine Menge von diesem Austausch bei ihnen hängen geblieben ist. Ein Projekt, das durchaus Schule machen könnte.

Bereits 2012 begab man sich mit dem Lycée Marcel Pagnol, der Partnerschule in Athis-Mons, nach Saint-Jean-d’Angély bei La Rochelle. Das ehemalige Kloster dient seit 1989 als Begegnungsstätte, wo für Jugendliche aus 25 Ländern interkulturelle Seminare angeboten werden. Heuer war neben den Schülern des Reichsstadt-Gymnasiums (RSG) und der ihr bes-tens bekannten Partnerschule auch eine Gruppe aus Luxemburg dabei.
Vor allem Letztere ließ die 16-jährigen Gymnasiasten anfangs an einem fruchtbaren Austausch zweifeln, wie Luis vom RSG zugibt. Denn da diese alle eine sogenannte „Schule der zweiten Chance“ besuchen – das heißt, sie weisen einen Bruch in ihrer Schullaufbahn auf – waren sie alle ein paar Jahre älter als der Rest. Bei vielen liegt diese Unterbrechung in ihrer Flucht nach Europa begründet.
Wie gut es einem geht
Und genau dieses Thema hat die deutschen Jugendlichen – wie zurzeit ja auch die europäischen Spitzenpolitiker – am meisten bewegt. So hätte sich vor allem durch die Luxemburger ihr „Horizont erweitert“, erklärt Anna. Und Alina macht bei sich und ihren Klassenkameraden ein gestiegenes Bewusstsein dafür aus, „wie gut es einem eigentlich geht“.
So verblasste vor diesem Hintergrund so manche Klage der deutschen und französischen Jugendlichen über beispielsweise das fischlastige Essen sowie den Mangel an Schlaf. Auch die anfängliche Skepsis gegenüber den älteren Teilnehmern kehrte sich schnell ins Gegenteil. „Der Umgang untereinander war richtig aufgeschlossen“, sagt Alina. Gerade die Luxemburger haben viel von ihnen wissen wollen und dauernd Späße gemacht.

Drei Länder, drei Blickwinkel – und doch entstand eine gemeinsame „Landkarte Europas“.

Natürlich verständigte man sich (ausschließlich) auf französisch. Damit man während der Woche nicht nur mit seinen eigenen Klassenkameraden zusammensteckte, wurde genau darauf geachtet, die Gruppen immer gut durchzumischen: in den Zimmern, beim Essen sowie in den Workshops. Denn natürlich war die Zeit in dem einstigen Kloster kein Ferienaufenthalt, sondern es wurde produktiv etwas geleistet. Schließlich ist die beste Art, Hemmschwellen zu überbrücken, sich gemeinsam einer Sache zu widmen.

Gemeinsame Landkarte 
Der Arbeitsauftrag für die trinationale Begegnung lautete: „Wir erstellen eine Landkarte Europas.“ Die „Werkzeuge“: Diskussionen, Gruppenarbeiten, Ausflüge, Informationseinheiten durch die Mitarbeiter des Kulturzentrums sowie Workshops, wie Tanz, Kunst, Film und Musik. Dort arbeitete zunächst jede Gruppe  an ihren eigenen Werken.
Am letzten Abend präsentierte man die Ergebnisse und bereicherte jene der anderen Gruppen – ein starkes Symbol für ein Miteinander, das den Architekten der europäischen Wertegemeinschaft durchaus gefallen hätte. So kreierte etwa die Musikgruppe die Untermalung des tonlosen Pocket-Films der anderen Gruppe.
Das grundlegende Fazit der Schüler für diesen etwas anderen Frankreich-Aufenthalt fiel letztlich durchweg positiv aus.  „Es war eigentlich viel cooler als der reguläre Austausch“, findet Valentina. Wobei natürlich auch das stellenweise Eintauchen in den Alltag einer französischen Gastfamilie eine besondere Erfahrung ist. Einen Hauch davon erlebten die Schüler aber auch heuer. Zum einen legte die deutsche Gruppe auf ihrer Hinreise einen kurzen Zwischenstopp in Athis-Mons ein. Trotz der kurzen Verweildauer von zwei Tagen machte man auch Paris mit all seinen Sehenswürdigkeiten unsicher.
Zum anderen wurden alle an einem Abend grüppchenweise auch zu Familien vor Ort in Saint-Jean-d’Angély eingeladen. Während die einen dabei kulinarische Höhepunkte wie Austern und Macarons genossen, stellten andere fest, dass auf beiden Seiten des Rheins Nudeln in Studentenwohnheimen ganz hoch im Kurs stehen. Nach einem bunten Talente-abend, zu dem jeder der 60 Teilnehmer etwas beitrug, nahte der Abschied. Zuvor traf man sich ein letztes Mal, fein herausgeputzt, um miteinander und mit den Familien aus dem Ort die Woche mit einem internationalen Buffet zu beschließen.
Früchte ernten
Der tatsächliche Abschied war dann „richtig richtig traurig“, erinnert sich Helen. Zum Glück machen es die sozialen Medien möglich, auf einfache Weise weiterhin Kontakt zu halten. Der Aufenthalt hat den Schülern nicht nur viele Erfahrungen beschert, sondern auch ein Plus für ihren Lebenslauf. Denn für ihre Teilnahme erhalten sie ein Zertifikat. Auch sprachlich ließen sich Früchte ernten. So erlangten bei der jüngsten mündlichen Schulaufgabe die Teilnehmer reihenweise gute Noten.
Das Treffen wurde über das EU-Bildungsprogramm „Erasmus-Plus“ finanziert. Aber auch die Stadt Rothenburg sowie der Städtepartnerschaftsverein zeigten sich spendabel. mes

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