Eine wundersame Rettung

Kulturerbe Bayern übernimmt Judengasse 10 und kooperiert mit Alt-Rothenburg

ROTHENBURG – Das hatte sich Dr. Markus Naser nicht mal erträumt, dass man sich beim Kulturerbe Bayern e.V. unter den vielen Bewerbungen für die Judengasse 10 entscheidet. Und dies auch noch als Startobjekt der entstehenden bayerischen Denkmal-Stiftung. Dies bedeutet eine große Anerkennung für die  Denkmalschützer und den unermüdlichen Einsatz Alt-Rothenburgs, ohne die es das Kulturgut Judengasse so längst nicht mehr geben würde.

Vor Ort erläutert Architekt Knoll Vorständen und Erst-Stifterin Ursula Beyer (Mitte) das Haus. Fotos: diba

So medienwirksam wie im Beisein von Presse und Fernsehen am Sonntagnachmittag im Musiksaal die Vereinbarung unterzeichnet wurde, dürfte es auch weitergehen, denn die von 2019 bis 2021 geplante denkmalgerechte Instandsetzung der Judengasse 10 soll landesweit vermarktet werden. Vor allem möchte der noch junge Kulturerbe-Verein über eine dem englischen „National Trust” ähnlichen bayerischen Stiftungsfonds zum Rettungsanker für bedrohte Denkmäler werden und dafür neues Bewusstsein in der Bevölkerung schaffen sowie Stifter gewinnen.

Landeshistoriker Dr. Johannes Haslauer als Kulturerbe-Vorsitzender unterzeichnete am Sonntag eine Absichtserklärung mit Dr. Markus Naser vom Verein Alt-Rothenburg, in dessen Besitz sich auch die angrenzende Judengasse 12 befindet. Während die 10 für 75.000 Euro an das Kulturerbe e.V. verkauft und dann saniert werden soll, will Alt-Rothenburg gleichzeitig auch das Nachbarhaus Nr. 12 wieder herrichten. Beide Maßnahmen möchte man in enger Zusammenarbeit durchführen. Die jüdische Mikwe im Kellergewölbe des von 1407 stammenden Hauses soll später zugänglich werden, der örtliche Verein will Räume anmieten. Nach ihrer Gründung soll die geplante „Stiftung Kulturerbe Bayern”  in diese Vereinbarung eintreten.
Zu den Podiumsgästen im Musiksaal gehörten neben den beiden Vorsitzenden Martin Wolzmüller, der aus Sicht des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege die Bedeutung der Kooperation herausstellte. Projektleiter und Gründungsstifter Dr. Andreas Hänel (Luft- und Raumfahrttechniker) erläuterte, dass aus dreißig landesweiten Vorschlägen eine strenge Auswahl getroffen wurde. In diesem Fall kamen alle Parameter zusammen, nicht zuletzt ein verkaufswilliger kompetenter Verein vor Ort, der sich ehrenamtlich ähnlich dem Kulturerbe e.V. engagiert.
Wie  breit die Öffentlichkeitsarbeit angelegt ist, verdeutlichte Veronika Schöner als zuständige Mitarbeiterin: „Es muss uns gelingen in ganz Bayern für die Judengasse 10 Interesse und Stifter zu gewinnen”. Über den Bau- fortschritt werde laufend informiert, eine Spenden-Gala stellt man sich ebenso vor wie ein „Schwarmfinanzierungs-Portal“ im Internet (Finanzhilfen nach  „Crowdfunding“-Regeln). Dabei konnte der anwesenden ehemaligen Gymnasiallehrerin Ursula Beyer aus Pfaffenhofen gleich herzlich gedankt werden, die schon als Erststifterin mit 25.000 Euro dabei ist. Sie empfindet es unerträglich wie man immer mehr wertvollste Kulturgüter verfallen lässt. Schließlich erzähle doch jedes historische Bauwerk eine großartige Geschichte meinte sie.

Die Bohlenstube, früher einzig beheizter Raum, gehört zu den großen Kostbarkeiten.

Hauskenner Eduard Knoll

Wie recht sie damit hat, das wurde aus dem fundierten bebilderten Sachvortrag des Rothenburger Architekten und früheren Stadtheimatpflegers Eduard Knoll deutlich, der bei der Hausuntersuchung schon früher Pionierarbeit geleistet hatte. Er führte auch durchs Gebäude, wo man auf viele nicht gleich sichtbare Baudetails aufmerksam wurde. Als einzige nahezu vollständig erhaltene Judengasse im deutschsprachigen Raum komme diesem Straßenzug überregionale Bedeutung zu. Christen und Juden hatten dort im Mittelalter zusammengelebt. Erst 1985 jedoch habe man den historischen Stellenwert der Judengasse 10 erkannt.
Dr. Markus Naser unterstrich in seiner Rede am Podium, dass es aufgrund des Einsatzes des Vereins Alt-Rothenburg gelungen ist nicht nur die Judengasse zu erhalten, sondern auch etliche Häuser zu sanieren. Dabei hat der Verein selbst drei Häuser denkmalgerecht instandgesetzt, von den drei noch anstehenden nehme man nun bald zwei in Angriff. Die Vorgeschichte der Judengasse 10 sei von einem „streitbaren Mann, der möglichst viel Kapital herausschlagen wollte” (wobei Aushöhlen und Teilabbrüche denkbar waren), geprägt. Eduard Knoll sei es zu verdanken, dass es zu einer Notsicherung des Objekts kam, aber dann folgten fast 15 Jahre Stillstand und erst die Erben des schließlich verstorbenen Eigentümers waren verkaufsbereit.
Schon früh Nr. 12 gekauft
Glücklicherweise konnte der Verein bereits 2002 das angebaute Nachbarhaus Nr. 12 erwerben, es aber wegen der Kosten bis heute nicht instandsetzen. Seit 2016 gehören  beide Gebäude dem Verein, doch die Versuche, die nötigen vielen hunderttausend Euro zur Sanierung aufzutreiben blieben wenig fruchtbar. Jetzt gehe im Zusammenwirken mit dem Kulturerbe Bayern ein Traum in Erfüllung. Man sehe großes Vertrauen darin und freue sich, in gemeinsamen Anstrengungen die beiden Häuser denkmalgerecht herrichten zu können. Der Verein denke daran, dorthin seine Geschäftsräume zu verlagern, um die geplante Dauerausstellung besser zu betreuen und das jüdische Ritualbad für die Öffentlichkeit zugänglich machen zu können.
„Dieses Haus hat uns sehr viel Ärger mit täglich bis zu 300 Faxen des Vorbesitzers bereitet”, meinte Bürgermeister Kurt Förster in seinem Grußwort namens der Stadt. Damit erinnerte er an eine jahrelange nervige Auseinandersetzung mit der Verwaltung, die ihrerseits mehrfach versucht hatte mit dem auswärtigen Privateigentümer wegen eines Kaufs der Judengasse 10 handelseinig zu werden. Das Verhältnis war bald so „zerrüttet”, dass dies unmöglich wurde und selbst interne Versuche über Dritte scheiterten. Weil er ein Stichwort gehört hatte, warnte Kurt Förster gleich vorsorglich vor dem Einbau einer Ferienwohnung („Da bekämen Sie nur Streit mit uns”), denn es herrsche dringender Wohnungbedarf.
Kennt man die leidige Vorgeschichte der Judengassenhäuser so lässt sich fast von einer wundersamen Errettung sprechen. Das Engegament der örtlichen Denkmalschützer erfährt dank des bayernweiten Partners Bestätigung und Ansporn. diba

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