Besuch des grünen Kapitals

Stadtrat informierte sich beim Waldbegang über Windräder und die Durchforstung

ROTHENBURG – Es ist ein Ortstermin der ganz besonderen Art: Jedes Jahr schnüren die Stadtratsmitglieder ihre Wanderschuhe, um einen Teil des Stadtwaldes auf Schusters Rappen zu erkunden. Für den städtischen Forstbetrieb ist dies eine geeignete Möglichkeit, dem Gremium am hölzernen Objekt zu zeigen, was dessen Mitarbeiter das Jahr über in den kommunalen Wäldern leisten.

Die Ratsmitglieder und Gäste lauschen den Erläuterungen der städtischen Forstwirte. Foto: Scheuenstuhl

Die Ratsmitglieder und Gäste lauschen den Erläuterungen der städtischen Forstwirte. Foto: Scheuenstuhl

Heuer standen dabei auch zwei ganz außergewöhnliche „Gewächse“ auf dem Programm. Die Ratsmitglieder plus Gäste und Mitarbeiter der Stadtverwaltung machten sich im Distrikt Rotheberg bei Wettringen einen Eindruck von den dort im Bau befindlichen Windrädern. Bereits 2014 nahm das Gremium die damals noch drei geplanten Standorte dafür in Augenschein. Da einer davon nicht genehmigungsfähig war, fand die städtische Wandergruppe beim erneuten Besuch auch nur zwei fertig gegossene Fundamente vor.

Wilhelm Hellenschmidt von HWH Engineering aus Iphofen informierte die Ratsmitglieder über den Fortgang der Baumaßnahmen. So wurden bislang Rodungen durchgeführt, eine Zufahrt wurde geschaffen, der Boden befestigt und stabilisiert sowie die Stromkabel in den Boden eingezogen. Nach Aushub, Bewehrung und Ausgießen der Fundamente befinde man sich nun in der „heißen Phase“, so Wilhelm Hellenschmidt.

Kurz nach der Politiker-Stippvisite erwartet man nämlich die Betonfertigteile, die die Windkrafttürme auf eine Nabenhöhe von 141 Metern bringen. Der Rotordurchmesser beträgt 117 Meter. Beide Windräder zusammen schlagen mit rund sieben Millionen Euro zu Buche, mit allen zur Errichtung notwendigen Maßnahmen erhöhen sich die Gesamtkosten auf zirka 9,6 Millionen Euro. Wilhelm Hellenschmidt ist optimistisch, dass die finalen Arbeiten zügig realisiert werden, schließlich muss noch heuer die erste Kilowattstunde Strom ins Netz eingespeist werden.

Nur wenige Meter weiter widmete man sich vergleichsweise kleinerer, aber ebenso effizienter Technik. Die beiden Forstwirte Josef Wenninger und Manfred Suttor stellten den mechanischen Fällkeil vor, der das Unfallrisiko beim Baumfällen minimieren soll. Gerade Totholzbäume können bereits bei Erschütterungen, die beim Fällen benachbarter Bäume oder durch Wurzelbewegungen bei der Hauung entstehen, umstürzen. Der mechanische Fällkeil sorgt für ein erschütterungsfreies Keilen. Die Stadtratsmitglieder durften dabei selbst Hand anlegen und sich überzeugen, dass damit auch ein ergonomisches Arbeiten garantiert ist. Bereits 2015 schaffte das Forstamt für jede Waldarbeiterrotte einen mechanischen Fällkeil an, der mit 5,2 Kilogramm relativ leicht, aber dennoch leistungsfähig ist.

Im Distrikt Hochholz erläuterte Forstwirtschaftsmeister Uwe Meißner nach welchen Gesichtspunkten der dortige Birkenbestand gepflegt wird. Während sich diese Baumart als städtische Dekoration an den Reichsstadttagen großer Beliebtheit erfreut, bedarf es einer intensiven Jungbestandspflege, damit die Birke beim Verkauf auch einen entsprechenden Preis erzielt. Diese Arbeit bringt zum Zeitpunkt der Ausführung zwar kein Geld ein, stellt aber die Weichen für einen einträglichen späteren Bestand.

Auswahl von „Z-Bäumen“

Für möglichst viel wertvolles, starkes Stammholz wird bei der Bestandserziehung die Bestockungsdichte durch Reduktion der Baumzahlen auf ein für Wachstum und Stabilität optimales Maß reduziert. Dabei werden sogenannte „Z-Bäume“ (Kurzfassung für Zukunftsbäume) ausgemacht, die mittels Durchfors-tung freigestellt werden.

Z-Bäume werden nach Vitalität, Stabilität und Verteilung ausgewählt. Zeitpunkt und Wiederkehr einer Durchforstung hängen von der Baumart, dem Wachstum, dem Pflegezustand und der Wirtschaftlichkeit ab. Vor jedem Durchforstungseingriff muss für eine schonende und zweckmäßige Arbeit der Bestand ausgezeichnet sein.

Birken, beispielsweise, können ab einer Höhe von 20 bis 25 Meter (im Alter von etwa 30 bis 40 Jahren) ihre Kronen kaum noch ausbauen. Gleichzeitig geht der Durchmesserzuwachs rasch und irreversible zurück. Die Birken würden von dicht daneben befindlichen anderen Hauptbaumarten zunehmend eingeholt und überwachsen. Es ist deshalb angezeigt, frühzeitig und kon­sequent Standraumerweiterungen durchzuführen.

Totäste entfernen

Zudem müssen Totäste sobald wie möglich entfernt werden. Da mit zunehmendem Alter ein sich bildender Braunkern den Wert des Holzes schmälert, sollte die Produktionsdauer 60 Jahre nicht überschreiten. Für das städtische Forstamt sei es ein Balanceakt, die betriebswirtschaftlichen Forderungen mit der Aufgabe einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung in Einklang zu bringen, erklärt dessen Leiter Daniel Gros und wirbt damit um Verständnis beim ebenfalls am Waldbegang teilnehmenden Stadtkämmerer Franz Fisch.

Nach einer mittäglichen Stärkung im Gasthof „Zur Krone“ in Leuzenbronn ging es weiter im Distrikt Hochholz. In der dortigen Abteilung Lerchenhöh wurden die Fichten durch den Sturm im Frühjahr und Borkenkäfer arg in Mitleidenschaft gezogen. Eine Fläche von insgesamt 1,3 Hektar ist betroffen. Dieses Areal gilt es nun wieder aufzuforsten. Bei der Frage, mit welchen Baumarten dies durchgeführt werden soll, wird die Standortkartierung zu Rate gezogen. Darin werden 0,5 Hektar der Fläche als „wechselfeuchter Schluffboden“ und die restlichen 0,8 Hektar als „wechselfeuchter strenger Ton mit Kalk im Oberboden“ bezeichnet. Die Standortserkundung bezeichnet beide Standortseinheiten als „Eichen-Zangsstandort“.

Probleme bei der Wiederaufforstung könnten unter anderem Verkrautung, Verbuschung und Versumpfung sowie erhöhte Frostgefahr und Wildverbiss sein. Je nach Sortiment liegen die Kosten für die Eiche bei 1 bis 1,5 Euro pro Stück. Hinzu kommen die Wuchshülle (1,4 Euro) und der Akazienstab (0,7 Euro), der den Halt gibt. Die Gesamtkosten pro Stück liegen, ohne Personalkosten, bei etwa 3,6 Euro.

Bei einer in Baden-Württemberg förderfähigen Gesamtpflanzenzahl von 4000 Stieleichen pro Hektar ergeben sich allein für diese Fläche Gesamtkosten von 14400 Euro. Nach neuen Förderrichtlinien für die Aufforstung könnte man mit einer finanziellen Zuwendung von 11600 Euro rechnen. Der Eigenanteil wäre dann lediglich 2800 Euro.

Als abschließendes Kontrastprogramm bekamen die Ratsmitglieder im Jüdischen Museum Creglingen einen Einblick in die jüdische Geschichte der beiden Taubertäler Gemeinden Creglingen und Archshofen. In bewährter Weise kümmerte sich das Ehepaar Meißner während des Waldbegangs bei Vesper- und Kaffeepause um das leibliche Wohl der städtischen Wandergesellschaft. mes

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*