Ein Haus voller Leben

Spitzenreiter bei Übernachtungen: die Jugendherberge

ROTHENBURG – Mit rund 32000 Übernachtungen im Jahr ist die Jugendherberge der größte Übernachtungsanbieter in Rothenburg. Die auf zwei historische Gebäude in der Altstadt verteilte Einrichtung beherbergt überwiegend junges Klientel auf Klassenfahrt oder im Ferienlager. Im kleineren Umfang nehmen auch Familien, Radler und Wanderer die preisgünstige Unterkunft in Anspruch – vorausgesetzt sie haben einen gültigen Jugendherbergsausweis.

Von Thüringen nach Rothenburg: Herbergsleiter Jörg Simon liebt seinen anspruchsvollen Job in einem familiären Umfeld.     Fotos: sis

Von Thüringen nach Rothenburg: Herbergsleiter Jörg Simon liebt seinen anspruchsvollen Job in einem familiären Umfeld. Fotos: sis

Für Flüchtlinge gab es mit der Zuwanderungswelle eine Ausnahme. Angesichts der Zuwanderungswelle im letzten Jahr half der Beherbergungsbetrieb aus der Patsche und nahm in der Nebensaison achtzig Flüchtlinge auf, bis sie anderweitig untergebracht werden konnten. In der Statistik der Jugendherberge schlug sich dieser Gästekreis mit 3500 Übernachtungen in der Jahresbilanz nieder und sorgte zusätzlich für ein gutes Ergebnis. Seit zwei Jahren leitet Jörg Simon (46) die Jugendherberge. Mit ihm ist wieder Kontinuität und Verlässlichkeit in das Traditionshaus eingekehrt, nachdem es mal gehakt hat zwischendurch. Im Anschluss an die Erfolgsgeschichte der Herbergseltern Doris und Eduard Schmitz. 32 Jahre haben sie in dem Beherbergungsbetrieb gearbeitet und gelebt mit ihren drei Kindern, die in der großen Dachgeschosswohnung mit herrlichem Altstadtblick großgeworden sind. Als die Eheleute im Mai 2013 in den wohlverdienten Ruhestand gingen, übernahm ein 32-Jähriger aus Leipzig die Leitung. Der studierte Informatiker, Elektrotechniker und gelernte Koch war zuvor in einem Schullandheim auf einer Nordseeinsel tätig. In Rothenburg wurde er nicht heimisch. Nach seinem Weggang gab es eine Übergangslösung mit Fachkräften des Jugendherbergswerks, die überall als Ersatz eingesetzt werden, wo personelle Engpässe bestehen. Jörg Simon hatte sich zu der Zeit bei dem gemeinnützigen Verein in München beworben und fand die Aufgabe in Rothenburg reizvoll. Der gebürtige Thüringer und gelernte Koch ist schon viel herumgekommen. Er hat in der Hotellerie gelernt und brachte es bis zum stellvertretenden Küchenchef in großen Häusern. Dann wechselte er in die Gemeinschaftsverpflegung eines Krankenhauses und managte schließlich mehrere Betriebskantinen mit 10000 Essen am Tag.

Jugendherbergseinrichtung mit Stockbetten: Welcher Platz auf dem Etagenbett ist besser – oben oder unten?

Jugendherbergseinrichtung mit Stockbetten: Welcher Platz auf dem Etagenbett ist besser – oben oder unten?

Ein privater Jugendherbergsbetreiber warb ihn ab nach München auf der Suche nach einem Betriebsleiter für sein Haus mit 1100 Betten. Als sein Chef expandierte ging Jörg Simon an den neuen Standort nach Hamburg und baute den fast doppelt so großen Beherbergungsbetrieb auf. Seine Frau stammt aus Sachsen-Anhalt. Kennengelernt haben sie sich vor fünfzehn Jahren in Stuttgart, als beide in der Gastronomie arbeiteten. Mit der Geburt von Zwillingen verschoben sich die Prioritäten. Die Familie zog näher in heimatliche Gefilde. Jörg Simon übernahm die gastronomische Leitung in einer kleinen historischen Burganlage bis er neue berufliche Pers­pektiven und Möglichkeiten beim Jugendherbergswerk anstrebte. Der Verein ist Träger von über fünfhundert Betrieben in Deutschland und größtes Mitglied des internationalen Jugendherbergsverbandes „Hostelling“. Rothenburg kannte Jörg Simon bis dahin nur von einem früheren Kurzbesuch vor zwanzig Jahren mit einem ehemaligen Arbeitskollegen, der in Schopfloch wohnte und im „Greifen“ in Feuchtwangen arbeitete. In der Erinnerung sind ihm damals zwei Dinge eindrücklich hängen geblieben: die vielen Preisschilder auf Japanisch und McDonald’s in einem historischen Altstadtgebäude. Den Orts- und Berufswechsel nach Rothenburg hat er bisher nicht bereut. Im Gegenteil. Die ganze Familie fühlt sich „sehr wohl“. In Reichelshofen hat sie ein passendes Heim gefunden. Seit die sogenannte „Residenzpflicht“ in der Jugendherberge abgeschafft wurde, ist es möglich, in den eigenen vier Wänden zu wohnen. Seine Frau arbeitet in Teilzeit in einem Supermarkt. Ihre beiden Zwillingsbuben sind inzwischen sieben Jahre alt und gehen in Oberscheckenbach zur Schule.

Der große Speisesaal und Veranstaltungsraum.

Der große Speisesaal und Veranstaltungsraum.

Der Herbergsbetrieb in Rothenburg hat 183 Betten. Hauptklientel sind Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 14 Jahren auf Klassenfahrt. Die jungen Gäste sind die Haupteinnahmequelle der Einrichtung. Standardmäßig bietet die Unterkunft die klassische Stockbett-Variante: vom Zweibettzimmer mit Bad und WC bis zum Mehrbettzimmer für acht Personen mit Etagendusche. Die Preise pro Person und Übernachtung liegen um die 25 Euro, Schüler zahlen 23,40 Euro. Das Frühstück ist im Preis inbegriffen. Halb- oder Vollpension können dazu gebucht werden. Gern schnüren die freundlichen Küchenkräfte auch Lunchpakete fürs Mittagessen unterwegs. Küchenchef Jürgen Knorr hat sein Handwerk in der „Glocke“ gelernt. Bei Bedarf stellt sich auch der Herbergsleiter als Kochprofi zusätzlich an den Herd. Die warmen Hauptmahlzeiten werden täglich frisch zubereitet. Einmal in der Woche gibt es einen vegetarischen Tag. „Der Anteil an Convenience-Produken liegt bei unter zehn Prozent“, sagt Jörg Simon. „Wir legen Wert auf eine abwechslungsreiche Kost.“ Auch religionsspezifische Verpflegungswünsche kann die Küche erfüllen, ebenso auf Allergiker eingehen. Die Kinder essen am liebsten Spaghetti und andere Nudelgerichte, Schnitzel, Putengeschnetzeltes mit Reis, Mehl­speisen und süßen Nachtisch. Ausländische Gäste können eine Tagesmitgliedschaft erwerben, die im Unterkunftspreis inbegriffen ist. Die Jugendherberge beschäftigt achtzehn Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit sowie auf Minijob-Basis. Der bayerische Jugendherbergsverband hat die beiden Gebäude, die Roßmühle, eine ehemals städtische Getreidemühle mit gewaltigem Dachtragwerk, und das benachbarte Fachhaus im Spitalhof gepachtet und kann die Bau- oder Reparaturaufwendungen mit der Miete verrechnen. Die alten Gebäude haben viel Charme, aber auch Sanierungsbedarf. Die Rossmühle mit ihren insgesamt 17 Schlaf-räumen wurde zuletzt Ende der 80er Jahre renoviert, die Herberge im Spitalhof Mitte der 90er Jahre. Eine Auffrischung würde beiden Objekten sicher gut tun, geht aber ganz schön ins Geld. Es gibt eine grobe Kostenschätzung zur Entwurfsplanung. Eigentum verpflichtet. Stadt, Hospitalstiftung und Jugendherbergsverband sind gefordert, eine für alle Seiten annehmbare Lösung zu finden und Kompromisse zu schließen in Sachen Miete und Baulast. Das 500-jährige Bestehen der Rossmühle wird im Rahmen einer kleinen Feier mit geladenen Gästen am Sonntag, den 12. März begangen. Die ehemalige Getreidemühle war einst von größter Bedeutung für die Ernährung der Stadt. Seit 1957 dient sie als Herberge. Das Gebäude im Spitalhof ist ähnlich alt, wie Nachforschungen ergeben haben. Kein Zimmer gleicht dem anderen, keine Wand ist gerade kein Fußboden eben – für Gäste ein Coolness-Faktor. sis

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*