Pfaffenstübchen profitiert

Beim Weltgästeführertag kamen 565 Euro fürs Restaurieren des Bestands zusammen

ROTHENBURG – Schönes Ergebnis: 565 Euro sind beim Weltgästeführertag 2017 in Rothenburg an Spenden zusammengekommen. Das Geld konnte am Ende der Führungs- und Vortragsreihe mit insgesamt sechs Terminen für den guten Zweck übergeben werden. Es dient der Sicherung und Restaurierung von alten Buch- und Archivbeständen des Pfaffenstübchen-Archivs von St. Jakob.

Auf der Aussichtskanzel an der Eich: Hannelore Schultze erläutert den Weg Rothenburgs zum Tourismus.

Auf der Aussichtskanzel an der Eich: Hannelore Schultze erläutert den Weg Rothenburgs zum Tourismus.

Mit den Patriziersöhnen Hornburg, Winterbach und von Staudt waren in Rothenburg 1519 und damit relativ früh die ersten Bausteine zur Reformation gelegt. Sie studierten in Wittenberg unter Luther und Melanchthon. Mit Andreas Bodenstein – besser bekannt als Dr. Karlstadt – kam der ehemalige Doktorvater Luthers in die Stadt. Veit Dietrich, dessen Summarien bis zum Wochenende in der Heilig Geist Kirche ausgestellt waren und wieder von Ostersonntag bis zum 31. Oktober zu sehen sein werden, war der Sekretär Luthers. Diese Männer waren für den Weg zur Reformation in Rothenburg von Bedeutung.

Reformatoren

Beim Weltgästeführertag boten Antonia Nakamura und Jutta Rohn ab Marktplatz einen Ausschnitt aus ihrer Themenführung „Renaissance und Reformation“. Sie erläuterten dabei die Wendungen während der Reformationszeit in Rothenburg. Gerade in den Freien und Reichsstädten gaben sich die Reformatoren „die Klinke in die Hand“. Eine zum Themenjahr „Renaissance und Reformation“ aufgelegte Broschüre des Rothenburg Tourismus Service (RTS) fasst wichtige Gesichtspunkte gut zusammen.

Albert Thürauf führte die gespannten Zuhörer in der „Glocke“ in gekonnter lockerer und ­tiefsinniger Weise durch das Thema Weinbau in Franken von den Anfängen, zur beinahe Verdrängung durch das Bier, durch Schädlinge wie Mehltau oder die Reblaus und der Wiederbelebung in den 1970er Jahren. Hier spielten die Thüraufs eine ganz wichtige Rolle. Sie haben sich vehement für den Erhalt und die Wiederbelebung der alten Rothenburger Weinberge an der Eich eingesetzt. Welche Vielfalt in den deutschen Weinbergen und auf den verschiedenen Boden- und Gesteinsarten gezüchtet wurden, zeigt der Rothenburger Weinlehrpfad mit über 150 Rebsorten. Heute setzt sich Albert Thürauf mit einigen Visionären des Weinbaus für den Erhalt und die Wiederbelebung der alten Sorten ein. Denn er sieht die Gefahr der Überzüchtung der neuen Sorten und damit ihrer Anfälligkeit gegenüber neuen Schädlingen.

Hannelore Schultze empfing ihre Gäste bei strahlendem Sonnenschein an der Eich zum Thema „Touristen statt Schornsteine“. Der Punkt war nicht nur wegen der schönen Aussicht gewählt, sondern weil sich der Verein Alt-Rothenburg damals mit dem Ausbau des Hirschen und seiner Terrasse gegründet hatte, in der Absicht so viel wie möglich alte Bausubstanz zu erhalten.

Geldmangel kann im langfristigen geschichtlichen Kontext auch seine Vorteile haben. Das zeigt sich am Erhalt des alten Stadtbildes. Dieses zog frühzeitig Maler aus der ganzen Welt nach Rothenburg. Deren Bilder wiederum haben zum Ruhm und zur Bekanntheit der Stadt beigetragen.

Das Themenjahr 2020/21 wird dieses historische Erbe betrachten. Dass Bilder ein Image prägen können, zeigte die Gästeführerin am Beispiel des Festspiels „Historischer Meistertrunk“ von Adam Hörber auf. Das war eine Initialzündung für den Tourismus und lange Zeit eine „Cash Cow“ (Melkkuh), um das im heutigem Jargon zu beschreiben. Es sei zu hoffen, dass das Festspiel auf dem Weg zum immateriellen Weltkulturebene erfolgreich ist und man wünsche den vielen ehrenamtlichen Akteuren alles Gute, wird vom Verein der Gästeführer betont.

An vielen Beispielen zeigte Hannelore Schultze, dass der Wirtschaftszweig Tourismus auch immer politischen Einflüssen unterliegt und wie in allen Wirtschaftsbereichen am Erfolg ständig gefeilt werden muss. Sie bietet „Die touristische Entdeckung Rothenburgs“ für am Tourismus Interessierte als Themenführung an.

Auf dem Zeitstrahl

Die Entwicklung im Sport, in der Ernährung und im Lebensstil waren Themen des Beitrags von Andreas Baur, Karin Bierstedt und Werner Weber im zweiten Stock des Rathauses. An einem geschichtlichen Zeitstrahl über 7000 Jahre zeigten sich Schwerpunkte in der Entwicklung der sportlichen Aktivitäten vom religiösen Ereignis, über militärischen Nutzen bis hin zum reinen Vergnügen.

Am Beispiel des „Rothenburger Patrizierfestes“ : Betrachtungen zu Sport, Spiel und Unterhaltung in der Geschichte mit  Werner Weber, Karin Bierstedt und Andreas Baur (v. li.)

Am Beispiel des „Rothenburger Patrizierfestes“ : Betrachtungen zu Sport, Spiel und Unterhaltung in der Geschichte mit Werner Weber, Karin Bierstedt und Andreas Baur (v. li.)

Sport als Begriff in der deutschen Sprache gibt es erst seit dem 19. Jahrhundert. Während die Griechen ihre Wettkämpfe – noch ohne Trikots und damit völlig nackt – auch als interessanten Heiratsmarkt betrachteten, betteten die Römer diese Aktivitäten in große Veranstaltungen ein. Brot und Spiele – „panem et circenses“ – hatte deutlich Unterhaltungswert. Bei uns zogen ein paar Jahrhunderte später Ritter durch das Land und konnten sich einen bescheidenen Lebensunterhalt durch erfolgreiche Teilnahme an Turnieren ermöglichen.

In den letzten 200 Jahren bekam der Sport, gerade durch den Mannschaftssport, vermehrt auch eine politische Bedeutung, die sich immer wieder in Verboten ausdrückte. Auch in Rothenburgs Geschichte zeigt sich das. Heute ist Sport Vergnügen, Ausgleich zur Arbeitswelt und natürlich auch ein großer Wirtschaftsfaktor. Die Sportkleidung ist aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Outdoor im Sinne von Ausstattung. Auch in der Ernährung lassen sich interessante Trends über die Jahrtausende erkennen.

Den Schlusspunkt setzten Dr. Oliver Gußmann und Peter Noack mit ihren Vorträgen in der St. Jakobskirche. Hier wurden die Umbauten im Kirchenschiff, die Wanderwege des Heiligblutaltars und die Übermalung des Zwölfbotenaltars unter Peter Greulich anhand von Illustrationen gezeigt. Die beiden Reformationsfenster von Luther und Melanchthon wurden detailliert erklärt und die wichtigsten Stationen und Zeitgenossen der beiden beleuchtet.

Dekan i.R. Dr. Dietrich Wünsch zeigte zum krönenden Abschluss zwei restaurierungsbedürftige Exemplare der Archivalien aus dem Pfaffenstübchen. Das eine ist das älteste Buch der Sammlung und die Chronik des Konstanzer Konzils von Ulrich von Reichenthal von 1437. Hier haben wohl die „Leseratten“ schon dran genagt, kommentierte er die fehlenden Teile. Das andere Exemplar ist eine Familienbibel von 1725 der Familie Michael Mayer, durch den Gebrauch über die Jahrhunderte ebenfalls weit von Bestform entfernt. Dr. Wünsch möchte diese Bücher retten und bewahren. Beim Weltgästeführertag konnte er sein Projekt erstmals im größeren Kreis vorstellen und dafür Interesse wecken. Seine Freude war groß, als er zur Untersützung seines Vorhabens – verbunden mit seinem herzlichen Dank – die bei allen Terminen an beiden Tagen gesammelten 565 Euro entgegennehmen durfte.

Die Weichen für den Weltgästeführertag 2017 waren auf der Bundesverbandstagung im Februar 2016 gestellt worden. Entscheidende Fragen sind: Welche Themen eignen sich? Was interessiert die Einheimischen und die Gäste aus der Region? Welche Aktualität hat das Thema? Wer beteiligt sich aktiv daran? Diese Fragen müssen bis Juli geklärt sein, da die Themen Monate vorher in den entsprechenden Veranstaltungskalendern positioniert werden müssen.

Aufwändiger Ansatz

In unzähligen Arbeitsstunden starten die Aktiven mit der Recherche und mit der Aufbereitung des Themas. Um das Pensum erträglich zu halten, werden die meisten Themen mit Vorlauf von mehreren Gästeführern und Unterstützern getragen. „So können wir ein reichhaltiges Angebot, im deutschen Gesamtvergleich gesehen, ein Spitzenangebot offerieren“, betont Karin Bierstedt vom Rothenburger Gästeführerverein.

Dieses Mal startete das Angebot mit einer Fragen-Rallye, die in 20 Punkten auf die aktuellen Themen einging. Claudia Koller-Lindner hatte das Angebot am Samstag vor der St. Jakobskirche eröffnet und den einführenden Vortrag zum Weltgästeführertag 2017 gehalten. Sie gab auch den einen oder aneren Tipp zur Lösung der Fragen.

Die drei Gewinne konnten unter den Teilnehmern – alle von auswärts – verteilt werden: Monika Degen-Gesell aus Bad Windsheim (75-Euro-Gutschein „Glocke“), Annette Latas aus Wittighausen (Indiviuelle Stadtführung im Wert von 65 Euro), Martin Winter aus Fürth (zwei Gutscheine für eine öffentliche Führung). Der erste Gewinner hatte die volle Punktezahl erreicht. Ob sich die Rothenburger vielleicht nicht ganz sicher waren, ob sie die richtigen Antworten parat gehabt hätten? kb/-ww-

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