Rabiater Elternabend

Kulturkritik: Fesselnde Komödie „Frau Müller muss weg“

ROTHENBURG – Aha, diese Viertklässler sind auf Krawall gebürstet und äußerst schwach in Sachen Rechtschreibung: „Schuhle ist doof!“ steht auf der Klassentafel, und daneben ist eine Faust gemalt mit einem ausgestreckten Mittelfinger. Schlecht erzogen sind die Kids also auch noch! Kein Wunder, ihre Eltern sind nicht besser, sie beschimpfen sich und wählen dabei richtig fies ordinäre Worte! Pfui!

Disput mit eisiger Miene, geschwollenem Hals: P. Foik und B. Berleb.Fotos: Hirschberg

Disput mit eisiger Miene, geschwollenem Hals: P. Foik und B. Berleb. Fotos: Hirschberg

Die Komödie „Frau Müller muss weg“ von Lutz Hübner mit Co-Autorin Sarah Nemitz, geboten vom Landestheater Dinkelsbühl, bescherte dem Städtischen Musiksaal mehr als ein volles Haus: viele Stühle mussten extra geholt werden.

Kein Wunder, denn der Plot des professionell geschriebenen Stücks berührt Eltern wie Großeltern: Der Wechsel ins Gymnasium steht an oder in den Worten von Jessika Höfel, der Elternabend-Domina und Mutter der verlogenen Laura: „Es geht darum, die blöden Bälger irgendwie durchzukriegen!“. Marti­a­lisch gekonnt setzt Maike Frank diesen Akzent im schwarzen Anzug (Kostüme wie aus dem Leben: Ursula Blüml).

Im Gewand der äußerlichen Mädchenfrau (ideal besetzt mit Patricia Foik) verbirgt sich ebenfalls ein zäher Bro­cken: die ungeheuer selbstreflektierte Lehrerin Sabine Müller, die über ihre pädagogischen Ziele und Methoden so sanft und eisig referiert, als wolle sie Ursula von der Leyen den Job als Bundes­minis­terin der Verteidigung abnehmen. Sie steht im Verdacht, gerechte Noten zu geben; will sagen: manch ein Sprössling wird es ins Gymnasium leistungsgemäß nicht schaffen – diese Frau ist schuld! Darin sind sich alle Eltern mehr oder minder einig und wollen die Karrierebremse ihrer Sprösslinge zum freiwilligen Abgang zwingen.

Im Laufe des chaotischen Elternabends, der durch die feinst geflochtene Regiearbeit von Johannes Lang ohne Pause die Spannung hält, entpuppen sich nach und nach die Projektionen der Erwachsenen auf ihre Kinder. Andreas Peteratzinger und Monika Reithofer geben ein Ehepaar aus München, das in die Provinz gezogen ist. Sie will zurück in die Stadt, schiebt aber das in der neuen Schule fremdelnde Kind als Beweggrund vor; die Eltern pfeffern um sich im zwerchfellkitzelnden Hasenbergl-Slang.

Streit der Eltern: M. Frank (2. v. l.), M. Reithofer (4. v . l.), A. Peteratzinger, M. Westphal.

Streit der Eltern: M. Frank (2. v. l.), M. Reithofer (4. v . l.), A. Peteratzinger, M. Westphal.

Possierlich auch die verheimlichte Romanze zwischen den Vätern Grabowski und Heider (Maximilian Westphal und Bernd Berleb), die ihre Beziehung ausfädeln: Es kommt als wenig hehrer Trennungsgrund heraus, dass das Liebesspiel – aus Gründen der Verheimlichung auf dem Rücksitz eines Kleinwagens abgehalten – für einen der Helden altersmäßig in Sachen Rücken nicht mehr opportun erscheint.

Sehenswert ist sie, diese heiter-tiefgründige Inszenierung des elterlichen Jahrmarkts der Eitelkeit auf dem Rücken ihrer Kinder. bhi

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*