An der Krippe

Weihnachtsbotschaft gegen das Böse in der Welt

ROTHENBURG – Beim zurückliegenden Weihnachtsfest sind die Menschen in Rothenburg und Umgebung auch unter dem Eindruck des schrecklichen Anschlags auf dem Weihnachtsmarkt in Berlin eine knappe Woche vor Heiligabend noch mehr zusammengerückt als sonst. In den Kirchen drängten sich die Gottesdienstbesucher um die Krippe in Bethlehems Stall.

St. Jakob bei der Christvesper: Die Reihen sind dicht geschlossen. Auf der Empore dirigiert Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr Chor und Bläser.

St. Jakob bei der Christvesper: Die Reihen sind dicht geschlossen. Auf der Empore dirigiert Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr Chor und Bläser.

Von den Predigten und Lesungen um die Geburt Christi ging die große Botschaft des Friedens, der Hoffnung und der Zuversicht aus. Sie wurde vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse besonders auch als Signal gegen diesen bösen Schatten, der sich auf unseren Alltag gelegt hat und der uns allen Angst macht, verstanden und gerne angenommen. Wir berichten im Folgenden, stellvertretend für die vielen Gottesdienste der Konfesssionen in Stadt und Land. In der Christvesper von St. Jakob versuchte Dekan Hans-Gerhard Gross jenes schreckliche Ereignis, bei dem gestern vor einer Woche in der Bundeshauptstadt zwölf Menschen gestorben und 48 zum Teil schwer verletzt worden sind, zum Thema zu machen ohne es direkt anzusprechen. Er nannte dabei unter anderem den Lastwagen, der in die Budenzeile am Breitscheidplatz gesteuert worden war. Dabei wurde das Fahrzeug umschrieben als etwas, das – anders als ihm zugedacht – zum Instrument des Terrors und des Tötens gemacht worden war. Dem Bösen hielt er die Botschaft von der Ankunft Jesus entgegen und damit die große Hoffnung und Zuversicht, die von ihr ausgehe. Gerade auch vor diesem Hintergrund habe Weihnachten nicht nur seine Berechtigung, sondern müsse sein, gab er zu verstehen. Die Lesungen der Weihnachtsgeschichte aus dem Neuen Testament (Lukas 2, Vers 1 bis 20) durch Dr. Franz Neumann unterstrichen das. Der Gottesdienst wurde vom Jakobs­chor und vom Posaunenchor unter der Leitung von Kirchenmusikdirektor Ulrich Knörr musikalisch ausgestaltet. In seiner letzten Heiligabend-Christvesper an seiner jetzigen Rothenburger Wirkungsstätte setzte der ab Februar kommenden Jahres als Landesmusikdirektor mit Dienstsitz in München Tätige unüberhörbar Signal. Es gelang ihm überzeugend, sowohl das Singen der Gemeinde als auch das ambitionierte Singen und Musizieren der St.-Jakobs-Ensembles zum Zug kommen zu lassen, wie es sein Anspruch bei solcher Gelegenheit ist. Im Wechsel erklangen Chorsätze wie „Machet die Tore weit“, „Enatus est Emanuel“, „Psallite“, „Kommet ihr Hirten“ (letzterer in der Version für Frauenstimmen) und „O Bethlehem, du kleine Stadt“. Bekannte Weih-nachtslieder wie „Komm, o mein Heiland, Jesu Christ“, „Es ist ein Ros entsprungen“, „Stille Nacht“, „Vom Himmel hoch, da komm ich her“, „Ihr Kinderlein kommet“ und „Ich steh an deiner Krippen hier“ wurden an diesem Abend mit Inbrunst gesungen. Gemeinde und Chor wechselten sich teils bei den Versen ab. „Das war heute ein besonders schöner Gottesdienst,“ lautete einer von vielen positiven Kommentaren. „Vielleicht fällt es uns an diesem Weihnachten schwerer, dieser Einladung der Engel zu folgen. Für mich ist es die einzig glaubwürdige Antwort auf Terror und Gewalt, die Hoffnung auf Frieden birgt: Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren,“ betonte Pfarrer Gottfried Orth bei der Christvesper in Heilig Geist.

Im Gebet fuhr der Geistliche fort: „Wir wissen um Kriege, um Armut und Not und Terror. Wir haben Angst vor den Unsicherheiten um die Zukunft der Vereinigten Staaten von Amerika. Und wir feiern die Geburt Jesu, die Geburt eines Kindes. Wir haben Sehnsucht nach einem Leben wie im Himmel so auf Erden. Lass gelingen, dass wir jetzt Ruhe finden, die Weihnachtsbotschaft zu hören und Friede und Freude zu spüren.“ Die Weissagungen der Propheten Jesaja und Micha und damit alttestamentarische Bibelpassagen leiteten zum Lukas-Evangelium und zur dort überlieferten Weihnachtsgeschichte im Neuen Testament über. Julia Weinreich und Max Ohr lasen aus dem Buch der Bücher. In der Predigt reflektierte Pfarrer Orth Johannes 3, Vers 17 und 18: „Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, auf dass alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Denn Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, dass er die Welt richte, sondern dass die Welt durch ihn gerettet werde.“ Bethlehemlicht und Friedensgruß standen am Ende des Gottesdienstes in Heilig Geist. Der Geistliche verband das mit den Worten: „Friede ist so verletzlich. Der Schein einer Kerze schafft noch keinen Frieden. Aber er kann unserer Bitte um Frieden Ausdruck geben – und uns aufmerksam machen für Situationen, in denen Botschafter und Botschafterinnen des Friedens sein können.“

Schulterschluss in der Christvesper von St. Jakob vor der Kulisse des prächtigen Herlin-Altars im Ostchor. Fotos: Weber

Schulterschluss in der Christvesper von St. Jakob vor der Kulisse des prächtigen Herlin-Altars im Ostchor. Fotos: Weber

Mit dem gemeinsam gesungenen „O du fröhliche“ klang die Christmette in Heilig Geist ebenso aus wie die Christmette in St. Jakob. Wer wollte, konnte ­– gegen einen kleinen Obolus – das Friedenslicht als Zeichen mit nach Hause nehmen oder es zu Menschen tragen und damit das Signal verbreiten helfen. Pfadfinderinnen und Pfadfinder hatten es in Bethlehem entzündet und von dort unter anderem auch nach Rothenburg und Umgebung gebracht. „Christen und Christinnen sind Menschen, die mitten im Krieg vom Frieden singen,“ betonte Pfarrer Ulrich Winkler in der Christmette von Heilig Geist und nahm damit den Faden vom Gottesdienst Stunden vorher an gleicher Stelle auf. Er „blätterte“ im Johannesevangelium. Das erzählt von einem Mann, der die Zeichen von der Weihnacht gehört hatte mit allem, was uns dabei vertraut ist: Bethlehem, der Stall, Ochs und Esel, die Krippe, Maria und Josef, ein Kind und die Deutung all dessen durch die Engel. Nikodemus hieß der Mann. Der Geistliche: „Er war ein Siegertyp. Das hatten ihm seine Eltern in die Wiege gelegt, als sie ihm diesen Namen gaben.“ Ins Deutsche übersetzt heißt das nämlich: ein Sieger aus dem Volk. Er hatte es weit gebracht, war ein Pharisäer, ein Oberster der Juden. Von den Zeichen und von der Geschichte hatte er gehört. Ob er eine andere Sehnsucht in sich trug als zu siegen? „Wir wissen es nicht,“ sagte Pfarrer Winkler. Auf jeden Fall habe er aber Jesus begegnen wollen. Jahre später sei es dann soweit gewesen. Nachts habe er sich aufgemacht und sei tatsächlich auf Jesus getroffen. Der habe sich mit ihm unterhalten. Viel mehr ist nicht überliefert. Jener Nikodemus begegne uns lediglich noch ganze zwei Mal im Johannesevangelium, rechnete der Geistliche vor. Er habe sich in einem Konflikt dafür stark gemacht, dass Jesu Gerechtigkeit widerfahren solle, „eher vorsichtig und politisch korrekt als wirklich überzeugt.“ Außerdem zeigt er sich nach der Kreuzigung hilfsbereit, legt bei der Bestattung Jesu Hand an und wird namentlich genannt. Die Sehnsucht des Nikodemus nach der Begegnung mit Jesus und mit Gott wird in besonderer Hinsicht zum Sinnbild für das Geheimnis von Weihnachten: „In einer in höchstem Maß von Konflikten geprägten Welt, die von allen Seiten bedroht ist, halten wir inne und sagen: Jetzt nicht, denn jetzt wollen wir feiern und alle Brüder und Schwestern sein.“ Und weiter: „Da glauben wir, dass wir alle Kinder Gottes sind.“ Keines davon müsse auf der Strecke bleiben, „weil in der Ukraine Krieg ist, weil in Aleppo die Bomben fallen, weil Flüchtlinge im Meer ertrinken, weil Verbrecher Terror verbreiten, weil wir eben doch uns schützen müssen und dafür andere sterben lassen.“ Der Heilige Abend sei eine Unterbrechung dessen, was Alltag ist.

„Kirche mal anders“ gab es bei der „Citychurch“ am 1. Weihnachtsfeiertag. Zwei Säle des Rothenburger Kinos füllten sich dabei komplett und es war zusätzlich für Kinderbetreuung gesorgt. Sandy Arnold, gebürtige Gebsattlerin, die als Jugendpastorin in Erfurt tätig ist, predigte über die „versteckte Weihnacht“. Dabei machte sie die Weihnachtsgeschichte nach dem Evangelium des Matthäus (1, 18 bis 25) aus einer anderen Perspektive zum Thema. Es geht um Josef. Er muss mit all dem klarkommen, was für ihn (mindestens) genauso schwer nachzuvollziehen ist wie für uns: Seine Frau empfängt plötzlich ein Kind, obwohl sie ihm nie untreu geworden und dazu noch Jungfrau ist. Und dann noch die Namensgebung für den Sproß. Nach jüdischem Verständnis unumstößlich eine Angelegenheit des Vaters. Aber es ist von göttlicher Seite längst entschieden: Jesus soll er heißen. Josef fügt sich, stellt die Liebe zu seiner Frau und den göttlichen Auftrag über alles andere. Wohl wissend, dass jede Menge Fragen auf ihn zukommen werden und dass nicht alle zu beantworten sind. -ww-

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