Das Lebenselixier

Der beste Beweis: Musik hält auch im Alter geistig fit

ROTHENBURG – Bis heute ist die Musik für Michael Wagner ein wichtiger Bestandteil seines Lebens – eine prägende und identitätsstiftende Leidenschaft. Am heutigen Feiertag Fronleichnam feiert er seinen 90. Geburtstag. Mit seinem geliebten Saxophon wird er das große Fest am Sonntag auflockern und für gute Stimmung bei den mehr als neunzig geladenen Gästen sorgen, darunter viele musikalische Weggefährten.

Der Jubilar Michael Wagner. Foto: privat

Der Jubilar Michael Wagner. Foto: privat

Michael Wagner stammt aus Lechnitz in Siebenbürgen, ein historisch deutschsprachiges Siedlungsgebiet in Südosteuropa. Die deutsche Bevölkerung hatte kollektiv die Folgen des Zweiten Weltkrieges zu tragen. Die Schrecken der Eroberung, Flucht und Vertreibung, der Verlust der Heimat und das Los des sozialen Abstiegs stellten das Leben der Bauersfamilie Wagner komplett auf den Kopf. Die Musik half über vieles hinweg. Als Knabe lernte Michael Wagner Geige spielen, wechselte aber dann zur Trompete. Seine berührende Lebensgeschichte erzählte er kürzlich Bärbel Andresen, die seine Biografie auch veröffentlichen durfte für eine Ausstellung im Rothenburger Bürgerheim mit dem Thema „Würde im Alter“. Mit 17 Jahren war Michael Wagner vor der Einberufung als Soldat zu der Waffen-SS geflüchtet und hatte sich in Österreich versteckt. Als Fahnenflüchtiger drohte ihm der Tod. Seine Schulfreunde, die noch in Wien zum Einsatz kamen, sind alle auf dem Schlachtfeld gefallen. In Franken kam Michael Wagner zuerst in Oestheim an. Sein Vater hatte in der Ortschaft einen Fuhrbetrieb aufgemacht und brauchte einen tüchtigen Holzrücker. Nach einem Probespiel bei Musikmeister Streckfuss wurde der 19-Jährige in die Rothenburger Stadtkapelle aufgenommen. Bei Helmut Weigel lernte er das Dirigieren. Als die Stadtkapelle aufgelöst wurde, betraute man Michael Wagner mit der Nachfolgelösung. Er hatte beste Leute. „Ernst Mosch hatte gerade aufgehört und dann bei mir gespielt“. Der Gründung der „Rothenburger Frankenjäger“ stand nichts mehr im Wege. Die Vielseitigkeit der Band spiegelte sich in der Blasmusik und in der modernen Tanzmusik wider. Es folgten Auftritte auf der Hannover Messe, in Frankreich und Holland, in Hamburg, Aachen, beim Gäubodenvolksfest in Straubing, eines der größten Volksfeste in Bayern, vor über fünftausend Menschen. Das Multitalent spielte Geige, Klarinette, Saxophon, Trompete und Flügelhorn. „Ich bin froh, dass mir mit den Frankenjägern alles so gelungen ist“, sagt der Berufsmusiker im Rückblick auf seine 60-jährige Bühnenzeit. Die Unterstützung war da: „Wir ham zamglangt“. Es fiel ihm schwer, das Ende der Band zu verkünden. Michael Wagner konnte sich schlecht von seinem Notenarchiv trennen. Musikerkollegen wollten unbedingt die Originalnoten, vor allem die handgeschriebenen von James Last und Ernst Mosch.

Die letzten Jahre spielte Michael Wagner in einer 4-Mann-Band. „Ich habe bis heute keine Probleme mit dem Gehör“. Darüber ist er sehr glücklich. Seine Frau führte früher einen Hutladen in der Hafengasse. Nach ihrem Tod vor zwei Jahren fiel der Witwer innerlich in ein tiefes Loch: „Der Akku war leer“. Inzwischen spielt er wieder „auf Wunsch“ für seine Gäste und zu besonderen Anlässen. Die Musik macht ihm noch immer jedes Mal große Freude. Mit seiner Musikalität und Spontanität beeindruckt er Freunde und Angehörige. Eigene Kinder hat er keine. Zur Familie seines Neffen, den er wie einen Sohn behandelt, pflegt er ein enges Verhältnis. Gegenüber deren Nachwuchs Nick und Nina füllt er begeistert seine Rolle als „Opa“ aus. sis

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