Selber sehen und fühlen

Die Kunst ist ein kompliziertes Phänomen – Ganz dem eigenen Eindruck vertrauen

ROTHENBURG – Schauen, schauen, schauen. Um herauszufinden, was gefällt und den Horizont erweitert, Vorurteile revidiert und nachhaltig fasziniert, sollte sich der Besucher Zeit nehmen für die neue Au­sstellung des Rothenburger Künst­lerbundes in der Fleischhalle am Marktplatz. Die Schau regt zur Diskussion an und fördert damit die Kommunikation.

Aquarell und Tusche auf Papier: Blaue Hasen und ein Osterei von Sylvia Krieg. Fotos: sis

Aquarell und Tusche auf Papier: Blaue Hasen und ein Osterei von Sylvia Krieg. Fotos: sis

Das Kunstjahr beginnt der Künstlerbund traditionell am Gründonnerstag mit der Osterausstellung. Der Vorsitzende Peter Nedwal hielt eine kurze Begrüßungsrede und verzichtete darauf, „über den täglichen Kampf um Ideen, Formen und Farben und das Sammeln von Erfahrungen im Künstlerdasein einen längeren Vortrag zu halten“. Er war zu der Überzeugung gekommen, dass es besser ist, „wenn die Betrachter anhand der Werke selbst erfahren können, ob sich die Kämpfe gelohnt haben“. Die Auswahl und Anordnung der Werke wurden im wesentlichen von Maria Semmer, Johanna Kätzel und Burk­hard Moser, der gewählten Jury, getroffen.

Neues und Vertrautes

Vierzehn Künstler zeigen über dreißig Arbeiten. Zu sehen sind Malerei, Druckgrafik, Collagen, besondere Fotografien Skulpturen und Objekte aus Holz, Ton und Bronze. Es fehlen aber bekannte Namen. Der japanische Wahl-Rothenburger Eiichi Takeyama stellt anlässlich seines 75. Geburtstages in seiner Heimatstadt Tokio aus. Auch Patrick Riefer-Kraus und Hermann Riederer sind diesmal nicht dabei. Im Namen des Rathauses würdigte Bürgermeister Kurt Förster die Galerie als besondere Tradition.

Kunst zum Anfassen: Frauenskulptur mit Schnur.

Kunst zum Anfassen: Frauenskulptur mit Schnur.

Die Sprache der Kunst besteht aus Metaphern, Bildern und Geschichten. Das, was jedermann umgibt, darf Thema der Kunst sein, darf Heiterkeit und Leichtigkeit verströmen, darf zuspitzen und überzeichnen. Das Ironische ist dabei das Künstlerische. Für Kunst muss man aufgeschlossen sein. Nur dann findet man Zugang zu den einzelnen Stilrichtungen und lernt die Kunstwerke richtig zu deuten. Eine bewegliche Wandskulptur aus Holz mit Schnur zum Ziehen von Peter Nedwal trägt den Titel „Für Otto Dix“. Eine Hommage an den vor 125 Jahren geborenen Künstler Otto Dix und Anlehnung an das berühmte Bildnis der Tänzerin Anita Berber. Eine Bereicherung sind auch die im besonderen Verfahren entstandenen Fotografien von Ulrich Frewel. Die „Argentotypie“ verstärkt den Reiz seiner Naturmotive, die beim Ausflug ins Hohenlohische entstanden sind. Maria Semmer fotografiert nicht die vorfindbare Realität, sondern sie inszeniert eine neue Wirklichkeit. Die menschlichen Körper in ihren Bildern verschmelzen mit den Räumen oder lösen sich auf.

Johanna Kätzel hat österliche Kunstwerke aus Hühner- und Gänseeiern gestaltet, in Handarbeit bemalt und mit Stoffborten verziert. Evelyne Weiß bringt in ihren keramischen Erzeugnissen die körperliche Stärke zum Ausdruck und erinnert an die Werte, die im Leben wichtig sind. Es gibt immer wieder Situationen, in denen es darauf ankommt, bei sich zu sein: Den eigenen Wert finden, stärken und ausstrahlen.

Alexander Fabi zeigt eine konstruktivistische Bron­­ze­skulptur. Pinienzapfen und Brathendl aus Bronzeguss stammen von Burk­hard Moser, die Zeitgenossen, die man auch auf der Straße treffen könnte, von Leo Wirth. Der Künstler aus dem Weikersheimer Stadtteil Laudenbach hat einen Blick für das Typische, ja Klischeehafte in unserem Alltag und nicht zuletzt eine gehörige Portion Humor.

Claudia Hädicke ist ein neues Künstlerbund-Mitglied und stellt zum ersten Mal aus. Die ausgebildete Kunsttherapeutin lebt in Schönbronn. Verwunschen wie ein Traum wirken ihre abstrakten Collagen. Desweitern zieren Druckgrafik-Arbeiten von Hans-Gustaf Weltzer, Acryl- und Ölmalerei, abstrakte und rea­listische Kunst (von Bernhard Karlstetter und Gerd Hintermeier) den Ausstellungsraum. Manche Bilder haben auch impressionistische Züge.

Renate Schletterer weckt mit ihrem Blumenstrauß in kräftigen Farbkompositionen Frühlingsgefühle. Ihr Ener­giebild mit Herzen wirkt harmonisierend und zaubert eine besondere Atmosphäre. Sylvia Krieg hat ein Atelier in Karlstadt am Main und ist seit letztem Jahr Mitglied im Künstlerbund. Mit ihren blauen Hasen unterstreicht sie die Bedeutung der Osterhasen in der Kunstgeschichte. Die Ausstellung ist Dienstag bis Sonntag von 14 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintritt ist frei. sis

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