Soldat als Teilzeitdetektiv
Praktikant bringt Ordnung in das Archiv der Ludwig-Doerfler-Galerie
SCHILLINGSFÜRST – Mit einer Studentin der Kunstgeschichte hätte man wohl eher gerechnet. Dass es aber gar nicht so abwegig ist, den Bestand der Ludwig-Doerfler-Galerie von einem Leutnant der Bundeswehr ordnen und archivieren zu lassen, beweist Martin Damerau. „Viel Detektivarbeit“ leistet der 24-Jährige derzeit als Praktikant im Haus der Heimat.

Praktikant Martin Damerau (re.) gibt Bürgermeister Michael Trzybinski Einblick in seine Arbeit. Foto: Scheuenstuhl
Ein Gefühl für Ordnung und Organisation sowie Pflichtbewusstsein sind stets eine gute Basis. Bei der Bundeswehr bekommt man diese Eigenschaften von Anfang an beigebracht. Aber qualifiziert dies auch dazu, den gesamten Bestand einer Kunstsammlung in eine sinnvolle Ordnung zu bringen? Der Schillingsfürster Stadtrat bejahte dies mit dem Beschluss, Martin Damerau als Praktikant in der Ludwig-Doerfler-Galerie für diese Aufgabe einzusetzen.
Vor allem zwei Gründe sprechen für den 24-Jährigen. Zum einen hat der gebürtige Rostocker bereits zwei Jahre in Schillingsfürst gelebt. Heimatmaler Ludwig Doerfler ist für ihn also kein Unbekannter. Über seine Mutter Andrea Hagel, die Beauftragte für die Fürstlichen Hochzeiten ist, entstand der Kontakt zwischen der Stadt und dem Studenten. Womit wir auch schon beim zweiten Grund sind. Martin Damerau durchlief zwar die Heeresoffiziersausbildung. Aber in erster Linie ist er Student und zwar an der Münchner Universität der Bundeswehr. Dort befasst er sich nicht etwa mit Luft- und Raumfahrttechnik, sondern mit Staats- und Sozialwissenschaften.
„Einen großen Teil nimmt Geschichte dabei ein“, beschreibt Martin Damerau seine Studieninhalte. Zudem gehören zu Sozialwissenschaften genaues Arbeiten mit Quellen und methodisches Sammeln von Daten. Das akademische Studium ist für ihn integraler Bestandteil seiner Ausbildung, da er sich für die Offizierslaufbahn entschieden hat. Bei der Bundeswehr hat er sich dadurch für 13 Jahre verpflichtet. Momentan befindet er sich im 6. Trimester seines Bachelorstudiengangs.
Studium hat Priorität
Die oberste Priorität für Studenten der Bundeswehr-Universität lautet, das Studium so gut wie möglich abzuschließen. Um nicht nebenher arbeiten zu müssen, fallen keine Studiengebühren an und militärische Studierende beziehen entsprechend ihrer Besoldungsgruppe ein Gehalt. Damit sich Martin Damerau das Praktikum in der Ludwig-Doerfler-Galerie für sein Studium anrechnen lassen kann, muss es unbezahlt sein.
Bürgermeister Michael Trzybinski ist durch sein Amt gleichzeitig auch Stiftungsratsvorsitzender. Er sieht es als „glückliche Fügung“ an, dass man Martin Damerau für diese Aufgabe gewinnen konnte. Er freut sich, dass man auf diese Weise „gut ausgebildete junge Menschen wieder in die Heimat bringen kann“. Man habe als Stiftungsrat außerdem eine Verpflichtung, sich um die Doerfler-Galerie zu kümmern. Sie werde von außen „sehr positiv angenommen“. Nun müsse man aber auch nach innen wirken, in dem Sinne, dass das Stiftungsgremium über seine Pfründe genau Bescheid weiß. Es sei nicht zuletzt auch bezüglich des Versicherungsschutzes und steuerlicher Belange wichtig, den genauen Wertbestand der Galerie festzuhalten.
Im Juni gab es die ersten Überlegungen, wie man dies in Angriff nehmen kann. Einen Monat später hat sich das Praktikums-Arrangement dann so richtig angebahnt. „Mit vollstem Vertrauen“ von Seiten des Stiftungsrats und der Museumsleitung begann Martin Damerau Mitte Juli seine Arbeit. Er musste dabei aber nicht bei Null anfangen, sondern konnte als Basis die von Hermann Reyh begonnene Inventarliste als Erstverzeichnis heranziehen.
Der ehemalige Leiter der Doerfler-Galerie hat seine Auflistung noch per Schreibmaschine angefertigt. Martin Damerau katalogisiert hingegen auf digitale Weise die Werke mit ihren jeweiligen Angaben. Dies hat den Vorteil, dass mit wenigen Mausklicken ein Bild in der Liste gefunden werden kann. Er schätzt, dass es insgesamt 2000 Bilder zu erfassen gibt, einige wenige davon hängen momentan in der Villa Roth. Bis zum Ende seines Praktikums am 30. August werde er 90 Prozent der Bilder gelistet haben, so seine Prognose.
Es sei keine Zielvorgabe gewesen, ein fertiges Inventarverzeichnis abzuliefern, erklärt Michael Trzybinski. Vielmehr gehe es darum einen Anfang für eine professionelle Struktur der Archivierung zu entwickeln und auch zu etablieren. Dass man nicht von heute auf morgen den ganzen Bestand der Galerie in den Computer eintippen kann, selbst wenn man wie Martin Damerau fünf Tage die Woche jeweils acht Stunden daran arbeitet, wird deutlich, wenn man ihm bei der Arbeit über die Schulter schaut.
Sie unterscheidet sich deutlich von seiner früheren Tätigkeit in einer Bibliothek, wo in der Regel alle wichtigen Angaben bereits auf den ersten Seiten eines Buches zu finden sind. In der Doerfler-Galerie werde hingegen „viel Detektivarbeit“ verlangt, meint der Leutnant und fügt hinzu: „Hier bin ich oftmals froh, wenn wenigstens eine Jahreszahl bei den Bildern zu erkennen ist.“
Nicht nur Daten im Blick
Er würde sich nach eigener Aussage nämlich „niemals anmaßen die Entstehungszeit für ein Bild zu bestimmen“. Das sei ihm doch zu kunsthistorisch, wobei man im Gespräch merkt, dass er bei seiner Arbeit nicht nur nach den blanken Daten eines Bildes schaut, sondern sehr wohl auch die darin ausgedrückten Themen des Heimatmalers wahrnimmt.
Wenn Martin Damerau, stets mit weißen Handschuhen, ein Bild aus einer der vielen Schubladen zieht, versucht er zunächst einmal im Erstverzeichnis dessen Namen herauszufinden. Dann geht es ans Vermessen des Werkes. Datum und Unterschrift werden geprüft und – ganz wichtig – ob das Bild vorne und hinten bemalt ist. Dies kann vor allem bei Exemplaren aus den 40er und 50er Jahren der Fall sein, denn Papier und Leinwände waren damals Mangelware. Der Praktikant schaut auch, ob Schäden zu erkennen sind, wie das Bild in den Rahmen eingefügt ist und welchen Preis es hat.
Er muss außerdem feststellen, ob ein Werk zu den Leihgaben gehört oder zum nicht verkäuflichen Stiftungseigentum. Zum Schluss macht er noch von jedem Bild ein Foto für die Inventarliste. Wenn etwas in dem Reyhschen Erstverzeichnis aufgeführt ist, was sich nicht in der Galerie auffinden lässt, muss nachgeforscht werden. Dank Martin Damerau bekommen die Gemälde zudem nicht nur einen Eintrag im digitalen Archiv, sondern auch ihren angestammten Platz an den Rollwänden im Magazin der Doerfler-Galerie. mes
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