„Das Beste für Volk und Vaterland“
Der Jahreswechsel vor 50 Jahren hatte die Berliner Mauer zum Thema
ROTHENBURG – Es waren noch ganz andere Zeiten mit Sorgen, die man heute nicht mehr kennt: der Blick in die Zeitung zum Jahreswechsel 1962/63 zeigt wie sehr man damals unter dem Eindruck der Berliner Mauer stand. Und kommunalpolitisch ging es immer noch um den weiteren wirtschaftlichen Aufbau.
„Ereignisschwer war das Jahr 1962, wenn auch unsere Stadt und die Bürgerschaft über manches Vollbringen und manches Vorwärts erfreut sein kann“, schrieb vor fünfzig Jahren der damalige Oberbürgermeister Dr. Lauterbach. Kommunalpolitisch könne man mit der Entwicklung durchaus zufrieden sein. Landrat Dr. Wagner, der noch einem Rothenburger Landkreis vorstand, sah im Bau der Fernleitungen zur Wasserversorgung den großen Fortschritt für die Gemeinden und auch über Schulneubauten in Binzwangen, Gailroth und Lohr sowie Geslau und Tauberzell könne man sich freuen. Thema war ferner die Flurbereinigung.
Als Bundestagsabgeordneter meinte Georg Ehnes in seinem Grußwort, nur wenn man dankbar für das Erreichte sei, könne man noch Größeres vollbringen. Und der zuständige Landtagsabgeordnete Dr. Karl Hillermeier (der 2011 verstorben ist) appellierte: „Laßt uns auch weiterhin das Beste für Volk und Vaterland erstreben und auf den Sieg von Vernunft und Gerechtigkeit hoffen!“ Man sorgte sich allgemein um den Frieden, denn der Kalte Krieg erlebte seinen Höhepunkt und die 1961 errichtete Berliner Mauer ließ die Hoffnung auf Wiedervereinigung zunehmend schwinden.
Der verlorene Krieg war noch nicht allzuweit weg und viele Folgen noch spürbar. Die deutschen Ostgebiete galten als Gebiete unter vorläufiger sowjetischer und polnischer Verwaltung, aber man hatte den völkerrechtlich begründeten Anspruch noch lange nicht aufgegeben.
Der Wiederaufbau spielte lokal noch eine Rolle und in einem Artikel der Silvesterausgabe werden die letzten Kriegsruinen der Stadt beklagt, vor allem an der Wenggasse. Lokalredakteur Hermann Willareth hat seine Jahresschlussbetrachtung auf die lateinische Spitaltor-Inschrift vom „Frieden den Einkehrenden“ (wie er heute sogar auf dem japanischen Flughafen Haneda mit Rothenburg-Werbung angebracht ist) abgestellt.
Ansonsten geht es um die neue Meldepflicht und kulturell ist einiges geboten: Liederabend mit Kirchenmusikdirektor Hans Helmut Hahn im Musiksaal, Jakobschor und Gesangverein Eintracht singen und es laden noch drei Kinos in der Altstadt ein: „Mädchenjahre einer Königin“ (Kapellenplatz-Lichtspiele), „Wenn die Musik spielt am Wörthersee“ (Victoria-Lichtspiele) und „Die drei Musketiere“ in den legendären Toppler-Lichtspielen am Alten Keller. Im Bären fand ein Sylvestertanz statt.
Auf nationaler Ebene geht es um die Tragik der trennenden Mauer in Berlin. Weil diese „so hart und grausam“ sei, rechne man damit, dass sie keinen langen Bestand haben könne. Die Sowjets wüssten, dass sie mit Terror und Schrecken nicht überzeugen könnten – schließlich dauerte es bis zum 9. November 1989 ehe das Schandmal beseitigt wurde.
Im Jahresrückblick auf 1962 erfährt man, dass Irlands Ministerpräsident Sean-Lemass ebenso wie der Oberkommandierende der US-Streitkräfte, General Bruce C. Clark, die Stadt besucht hat. Die Städtischen Werke feierten Richtfest.
Interessanterweise ist die Rede davon, dass am 2. November 1962 das städtische Kulturamt mit dem Verkehrsamt vereinigt wurde! Das heißt wohl, dass man vor fünfzig Jahren den Schritt vorgenommen hat, der bis heute immer wieder Thema und zur Zeit besonders aktuell ist. Am 23. Juli wurde gemeldet, dass es jetzt einen städtischen Verkehrsdirektor gibt. Der Fränkische Anzeiger und die Schneidersche Druckerei mussten 1962 den Tod von Verleger Fritz Schneider beklagen.
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