„Die Interessen durchsetzen“

Gewerkschafts-Appell an die Arbeitnehmer bei der Maikundgebung in Rothenburg

ROTHENBURG – „Sozial heißt nicht gefühlsduselig“. Der DGB-Ortsverband Rothenburg rief zur Maikundgebung auf. Unter dem Motto „Gute Arbeit. Sichere Rente. Soziales Europa.“ regte die Veranstaltung auf dem Grünen Markt zum Nachdenken an und rief zum Zusammenhalt der Arbeitnehmer auf.

Das Programm startete mit einer ökumenischen Andacht, die die Pfarrer Harald Sassik und Ulrich Winkler im Dialog bestritten. Sie machten sich Gedanken zur Ansicht der Kirche zu den Forderungen des 1. Mai. Welcher Lohn ist angemessen? Was sagt die Bibel zur Forderung einer sicheren Rente? Hier konnten einige Rückschlüsse gezogen werden. Bei der Andacht wurden rund fünfzig Teilnehmer gezählt bei der Maikundgebung etwa 170.

Walter Nees, Vorsitzender des DGB-Ortsverbandes, eröffnete im Anschluss die politische Veranstaltung. Oberbürgermeister Walter Hartl drückte in seinem Grußwort vor allem seine Besorgnis aus. Aus seiner Sicht sei es wichtig, dass die Bürger von ihrer Rente leben können. Die Entwicklungen in Europa in Sachen Arbeitslosigkeit, vor allem auch der Jugend, sollte die deutsche Regierung zum Anlass nehmen, das Gebot des eisernen Sparens zu überdenken. Woher soll die Wertschöpfung kommen, woher die Kaufkraft? Gesunder Konsum entstünde nicht von selbst. Mit Sorge sieht Hartl die populistische Anti-Europa-Bewegung in unserem Land. Diesen Gedanken griff Walter Nees auf. Zum zweiten Mal in Folge stünde der Tag der Arbeit beim Deutschen Gewerkschaftsbund unter einem europabezogenen Motto. Er bat den Hauptredner Jan Körper der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten Nürnberg um eine Aussage, „ob und wie wir für die Ziele etwas bewirken können“.

Walter Nees warb fürs Volksbegehren. Fotos: Castelo

Walter Nees warb fürs Volksbegehren. Fotos: Castelo

Jan Körper begann mit einem Ratespiel, bei dem er ein paar Gemeinsamkeiten von Heinrich Toppler und Uli Hoeneß aufzeigte. Zu Hoeneß hatte er ein paar Anmerkungen abseits von Steuern und Fußball. In Nürnberg stehe dessen Wurstfabrik, in der die Nürnberger Bratwurst als Marke deutlich besser geschützt sei als die Beschäftigten, die sie herstellen. Der Fall sei beispielhaft für Moral und Grenzen. Der Redner zerlegte in seiner Rede die Behauptung, dass die Löhne in Deutschland Weltspitze seien.

Anhand des Bruttoinlandsprodukts und der drastisch sinkenden Lohnquote zeigt er auf, dass die Unternehmer immer mehr erhalten und die Kaufkraft immer weiter sinkt. Für ihn handelt es sich um ein moralisches Problem, dass die Würde des Menschen betrifft: Es geht nicht um Luxus, es geht darum, eine selbstbestimmte Freizeit leben zu können. Vollzeitarbeiter, die mit Minijobs und Hatz IV aufstocken müssen, um über die Runden zu kommen. Auch konkrete Missstände, die man schnell in Rothenburg festmachen kann, sind Thema seiner Rede: Leiharbeitnehmer als moderne Sklaven, Missachtung der Arbeitszeitgesetze und selbstverständliche gratis-Überstunden als Geschenk für den Chef in der Gastronomie. Körper ruft die Arbeitnehmer zum Zusammenhalt auf.

Geht es beim Stichwort Rente nur um Geld? Oder nicht auch vielmehr um den Dank und die Anerkennung für die Menschen, die alles aufgebaut haben und nun menschenwürdig ihr Alter verbringen sollen? In der Politik werden immer irgend welche Interessen bedient. Es sei die Aufgabe der Arbeitnehmer, ihre durchzusetzen. Körper beschreibt Europa in der Schieflage: Alles hängt miteinander zusammen, daher muss gerade der Maifeiertag genutzt werden um Gegenwind zu organisieren. Schließlich handele es sich um den Kampftag der internationalen Arbeiterinnen und Arbeiter. Eine gerechte Sozialordnung, also gute Arbeit mit fairem Lohn, sicheren Renten in einem sozialen Europa sei das Mindeste. Im Anschluss bat Nees die Anwesenden zum ersten europäischen Volksbegehren „Wasser ist Menschenrecht“ um ihre Unterstützung.

Auch das Thema Arbeiterwohlfahrt, die ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband in eine nicht-tarifgebundene Mitgliedschaft verwandelt hat, lag ihm am Herzen. Ebenso kam er auf die Problematik der Neo-Nazis zu sprechen. Allen drei Themen sei gemein, dass Wirtschaft und Wettbewerb über alles gestellt würden. Dies sorge jedoch für soziale Spaltung. Er erinnerte daran, dass sozial nichts „gefühlsduseliges“ bedeutet, nicht Wohlfahrt, Großzügigkeit, Freigebigkeit oder Gnade. Per Definition bedeutet sozial: zur Gruppe gerichtet, dem Gemeinwesen und dem Gemeinwohl dienend. Schließlich sang man mit der Blaskapelle Gebsattel, diskutierte bei Weißwürsten, Brezen und Obatzter und feierte den Tag der Arbeit. cas

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