Glanz, Gefühl und Tiefgang

Michael David bezauberte im Wildbad mit der Harfe

ROTHENBURG – Es wäre wohl zu viel gesagt, die Harfe ein Stiefkind der Musikgeschichte zu nennen. Dafür ist ihr Platz darin zu fest und ihre Rolle in der romantischen Orchesterbesetzung zu unabkömmlich. Als Solo-Instrument allerdings blieb sie in den Werkregistern der großen Komponisten eine Exotin  – zu Unrecht. Von welcher, einem heutigen Konzertflügel kaum nachstehenden Wirkmächtigkeit die Harfe sein kann, dies bewies Michael David eindrucksvoll und berührend bei seiner „blauen Stunde“ im Wildbad. Vom ersten bis zum letzten Ton fesselte er das Publikum im gut gefüllten Theatersaal, herzlich begrüßt vom Leiter der Tagungsstätte, Pfarrer Dr. Wolfgang Schuhmacher.

Meisterliches mit Sinn für die Wesenstiefe: Harfenist Michael David. Foto: Düll

In seinem „Cross-Over“-Programm setzt sich Michael David auf an-genehme Weise über die Grenzen der Epochen und Kategorien hinweg, zelebriert den Geist purer Musikalität. Das meisterliche Spiel des bei renommierten Lehrern profund geschulten Harfen-Enthusiasten glänzt aus einer inwendigen Erhellung heraus. Wie vollblütig er die Emotion und den Intellekt musikalischer Hochliteratur entfaltet und immer wieder auch die tieferen Werte des Eingängigen ergründet, das macht sein Konzert zu einem die Seele nährenden Hochgenuss.

Gleich zu Beginn ein Höhepunkt: Spieltechnisch, dynamisch und agogisch fein entfaltet er den Zauber einer Fantasie von Charles Camille Saint-Saëns (op. 95), eines der Originalwerke für Solo-Harfe. Das Stück betört mit der für die französische (Orgel-)Romantik typischen Sinnlichkeit und mit einem impressionistischen Flirren, das an Klaviermagie eines Franz Liszt erinnert. Golden schimmert es aus we-sens-tiefen Melodien heraus, glitzert und blitzt in Arpeggien und Glissandi.

Sonderklasse besitzt auch das Allegro aus der ebenfalls original für Harfe gesetzten Sonate Carl Philipp Emanuel Bachs, der am meisten wohl von allen Bachsöhnen über das bloße Nachleuchten des übergroßen väterlichen Genies hinaus gelangte. Diese stürmerisch und drängerische, in all ihrer Anmut auch visionäre Tonkunst könnte nirgendwo besser aufgehoben sein als bei Michael David.

Es ist eine Musik, die mit einer Fußspitze noch im Barock steht, aber schon vollends dessen Gefühlsmechanik überwunden hat. Eben diese Natürlichkeit und Ursprünglichkeit der Empfindung machen ein Konzert von Michael David auch im Ganzen zu einer so stimmigen, ja organischen Darbietung. Er verzückt mit Klassikern wie Claude Debussys „Clair de Lune“, das  – obwohl keine Originalliteratur –  mit seinem Mondscheinzauber der Harfe wie auf den Korpus geschrieben scheint. Und auch der vorzüglich interpretierten Musik des Tango-Königs Astor Piazzolla steht das seidene, leicht durchscheinende Kleid aus Harfenklang traumhaft schön.

So wie Michael David bei kunstvollen Sonaten stets das Ganze selbst im kleinsten Teil zu erkennen vermag, so erspürt er auch das Große in der kleinen Form. Seine Bearbeitungen darüber haben Stil und Tiefgang. Liebevoll versteht er es, auch aus vermeintlich leichter Muse poetische Substanz herauszulesen. Das gilt für die Inspirationen durch Leonhard Cohen („Hallelujah“), Van Morrison („Moondance“); ebenso für  Dave Brubecks Jazz-Klassiker „Take Five“ oder für den Beitrag aus komplett eigener Feder, in dessen Titel („Shiny red Shoes“) David charmant auf sein Faible für ausgefallenes Schuhwerk anspielt. Am meisten aber fesselt jene Fantasie, die zwischen meditativen Ecksätzen in eine innige Up-Tempo-Version der Beatles-Melodie „Let it be“ führt.

Nicht nur dafür feierten die Zuhörer ihn mit rauschendem Applaus. Als Zugabe kredenzte der Harfenvirtuose noch einmal einen Ausbund an Konzertanz und Strahlkraft: den ersten Satz aus Georg Friedrich Händels Harfenkonzert. Man spürt, dass dieses Stück – wie Michael David erzählt –  einst  die Leidenschaft für sein Lebensins-trument ihn ihm weckte. hd

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