Uralte Bäume verjüngt
Fachmann entdeckte bei privatem Rothenburg-Besuch Handlungsbedarf
ROTHENBURG – Ganze vier Stück gibt es noch in Mittelfranken, zwei davon besitzt die Reichsstadt Rothenburg: der Maulbeerbaum. Gestern wurde einem der beiden Exemplare, die im Nuschweg am Klingentor stehen, von Herbert Kolb ein Verjüngungsschnitt verpasst. Hilfe erhielt er dabei von den Stadtwerken Rothenburg, die einen Hubsteiger zur Verfügung stellten.
Etwa um 400 vor Christus sind die ersten Maulbeerbäume aus Vorderasien nach Griechenland gekommen. Von dort verbreiteten sie sich über Italien bis nach Süddänemark. In Deutschland etablierten sich die Bäume unter Karl dem Großen. Zum einen aufgrund der Beeren, die den Brombeeren ähnlich sehen und wie Rosinen schmecken, zum anderen weil man nicht länger von Chinas Seidenproduktion abhängig sein wollte. In Rothenburg versuchte 1599 erstmals der Chemiker und Stadtphysicus Andreas Libavius Maulbeerenbäume anzupflanzen und zu ernten, zog jedoch nach kurzer Zeit weg.
Während die beiden letzten Rothenburger Maulbeerbäume um die 180Jahre zählen, gibt es Exemplare die weitaus älter sind. In Deutsch Bork in Brandenburg steht ein 300 Jahre alter Stamm, im Park der Benediktinerabtei Brauweiler sogar einen Tausendjährler. Auf dem Marktplatz von Karbach bei Marktheidenfeld stehen fünf Exemplare, die 1826 gepflanzt wurden. Der Rothenburger Kopfbaum im Rücken des Brauhauses benötigte dringend einen „Verjüngungsschnitt“, da er sonst drohte auseinanderzubrechen und innen hohl zu werden.
Herbert Kolb, Förster am Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Ansbach, wurde während eines Besuchs auf die Bäume aufmerksam und bat in der Folge Oberbürgermeister Walter Hartl darum sich um die Pflege der „noch lebenden Zeitzeugen“ kümmern zu dürfen. Mit der ausdrücklichen Unterstützung des Rathauses rückte er nun aus.
Der April bietet sich dabei als der perfekte Schnittmonat an, denn die Äste befinden sich kurz vorm Austrieb. Dies sind ideale Bedingungen um den Efeubewuchs des Stammes zurücknehmen und den „schlafenden Augen“ am Stammkopf Licht für den Austrieb zu verschaffen. Gut zwei Stunden verbrachten Herbert Kolb und Jürgen Gilcher von den Stadtwerken zwischen den Baumwipfeln. Zuerst ging es mit der Motorsäge an die dicksten Äste, bevor der Grünwuchs mit der Baumschere gestutzt wurde. „Ich pflege Geschichte“, sagt Herbert Kolb, „alle Tiere fressen Maulbeeren, der Baum ist wichtig.“ Die Produkte des Baumes können vielfältig verarbeitet werden. Neben der Seidenherstellung aus den grünen Blättern werden aus dem Holz Musikinstrumente hergestellt und der armenische Nationalschnaps wird mit Maulbeeren gebrannt.
Im Rahmen des Rothenburger Forsttages wird Herbert Kolb zusammen mit Karl Thürauf am Sonntag, 9.Juni, bei einem naturkundlich-historischen Spaziergang Näheres zu den Bäumen erzählen. Treffpunkt ist um 14 Uhr auf der Eiswiese. clk
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